Der Mensch ist nicht das Leben, sondern Aufnahmegefäß des Lebens von Gott

470. Man glaubt gewöhnlich, das Leben im Menschen sei sein Eigen, und er sei nicht bloß ein Empfänger des Lebens, sondern auch Leben selbst; daß gewöhnlich so geglaubt wird, geschieht infolge eines Scheins, weil er nämlich lebt, das heißt, empfindet, denkt, redet und handelt ganz wie aus sich, weshalb der Satz, der Mensch sei ein Aufnahmegefäß des Lebens und nicht Leben selbst, notwendig als etwas noch nicht Gehörtes, oder als etwas Widersinniges, dem sinnlichen Denken, weil dem Schein Widersprechendes, erscheinen muß. Den Grund dieses Irrglaubens, daß der Mensch auch Leben, daß also das Leben dem Menschen anerschaffen, und nachher durch die Fortpflanzung eingezeugt worden sei, habe ich vom Schein hergeleitet; allein die Ursache der Täuschung durch den Schein ist die, daß heutzutage die meisten natürlich und nur wenige geistig sind, und der natürliche Mensch nach den Scheinbarkeiten und den daraus hervorgehenden Täuschungen urteilt, diese aber schnurstracks gegen jene Wahrheit sind, daß der Mensch nicht Leben, sondern bloß ein Aufnahmegefäß des Lebens sei. Daß der Mensch nicht

Leben, sondern Aufnahmegefäß des Lebens von Gott ist, erhellt aus den vor Augen liegenden Zeugnissen, daß nämlich alles, was erschaffen, an sich endlich ist, und daß der Mensch, weil er endlich ist, nur aus Endlichem erschaffen werden konnte; weshalb es im Buch der Schöpfung heißt, Adam sei aus Erde und deren Staub gemacht worden, nach dem er auch benannt wurde; denn Adam bedeutet Erdboden, und jeder Mensch besteht in Wirklichkeit nur aus Dingen, die in der Erde und aus der Erde in den Atmosphären sind. Die Dinge, die in den Atmosphären aus der Erde sind, zieht der Mensch ein durch die Lunge und durch die Poren des ganzen Körpers, und die gröberen durch die aus irdischen Stoffen bereiteten Speisen.

Was aber den Geist des Menschen anbelangt, so ist auch er aus Endlichem geschaffen; was ist der Geist des Menschen anderes, als ein Aufnahmegefäß für das Leben des Gemüts? Die endlichen Dinge, aus denen er besteht, sind geistige Substanzen, die in der geistigen Welt, und auch in unsere Erde hineinversetzt und in ihr verborgen sind; wären sie nicht zugleich mit den materiellen Dingen darin, so hätte kein Same vom Innersten heraus beschwängert, und von da aus so wunderbar ohne irgendwelche Abweichung vom ersten Gewebe bis zu den Früchten und zu neuen Samen hervorwachsen können; noch würden irgendwelche Würmer erzeugt werden aus den Ausströmungen aus der Erde und aus dem Aushauchen der Dünste aus den Pflanzenkörpern, von denen die Atmosphären geschwängert sind. Wer kann nach der Vernunft denken, daß das Unendliche etwas anderes als Endliches erschaffen könne, und daß der Mensch, da er endlich ist, etwas anderes sei als eine Form, die vom Unendlichen aus dem Leben in sich belebt werden kann?

Dies ist es auch, was verstanden wird unter den Worten: „Jehovah Gott bildete den Menschen, Staub von der Erde, und hauchte in seine Nase die Seele der Leben“: 1Mo.2/7. Gott ist, weil Er unendlich ist, das Leben in Sich selbst; dieses kann Er nicht erschaffen und so es übertragen auf den Menschen; denn dies hieße ihn zum Gott machen; daß dies geschehen sei, war der Wahnsinn der Schlange oder des Teufels, und von diesem her der Chavah und Adams; denn die Schlange sprach: „An dem Tag ihr von der Frucht dieses Baumes essen werdet, werden eure Augen geöffnet, und ihr werdet sein wie Gott“: 1. Mo.3/5. Daß diese heillose Überredung, daß Gott Sich in die Menschen übergegossen habe und in sie übergegangen sei, den Menschen der Ältesten Kirche an deren Ende, als sie sich ausgelebt hatte, eigen war, habe ich aus ihrem Munde gehört, und sie liegen, wegen dieses ihres schauderhaften Glaubens, daß sie sonach Götter seien, tief verborgen in einer Höhle, der sich niemand nahen kann, ohne von inwendigem Schwindel getroffen niederzustürzen. Daß unter Adam und seinem Weib die Älteste Kirche verstanden und beschrieben wird, ist im vorher gebrachten Abschnitt bekannt gemacht worden.

471. Wer, der aus einer über das Sinnliche des Körpers erhabenen Vernunft denken kann, sieht nicht, daß das Leben nicht erschaffbar ist? Denn was ist das Leben, als die innerste Tätigkeit der Liebe und Weisheit, die in Gott und Gott sind, und welches Leben man auch die lebendige Kraft selbst nennen kann? Wer dies sieht, der kann auch sehen, daß dieses Leben nicht in irgendeinen Menschen übergetragen werden kann, außer zugleich mit der Liebe und Weisheit; wer leugnet, oder kann leugnen, daß alles Gute der Liebe und alles Wahre der Weisheit einzig von Gott sind, und daß der Mensch, inwieweit er sie von Gott aufnimmt, insoweit von Gott lebt und von Gott geboren, das ist, wiedergeboren heißt; und umgekehrt, daß inwieweit jemand die Liebe und Weisheit, oder, was das gleiche ist, die Liebtätigkeit und den Glauben nicht aufnimmt, er insoweit das Leben, das an sich Leben ist, nicht von Gott aufnimmt, sondern das von der Hölle, das kein anderes Leben ist, als das umgekehrte Leben, das geistiger Tod heißt.

472. Aus dem Vorbemerkten kann wahrgenommen und geschlossen werden, daß folgendes nicht erschaffbar ist, nämlich

1. nicht das Unendliche

2. nicht die Liebe und Weisheit;

3. und somit nicht das Leben;

4. noch das Licht und die Wärme;

5. ja selbst nicht die Tätigkeit an sich betrachtet;

sondern, daß die dieselben aufnehmenden Organe erschaffbar und erschaffen sind.

Dies kann durch folgende Vergleiche ins Licht gesetzt werden: daß das Licht nicht erschaffbar ist, sondern dessen Organ, welches das Auge ist; daß nicht der Schall, der eine Tätigkeit der Atmosphäre ist, erschaffbar ist, sondern sein Organ, welches das Ohr ist; daß auch nicht die Wärme, die das Urtätige ist, zu dessen Aufnahme alle in den drei Reichen der Natur befindlichen Dinge erschaffen sind, die Jesajah nach der Aufnahme - nicht tätig sind, sondern - in Tätigkeit gesetzt werden. Eine Folge der Schöpfung ist, daß, wo Tätiges ist, auch Leidendes ist, und daß diese beiden sich wie in eines verbinden; wären die tätigen Dinge erschaffbar, wie die leidenden, so hätte es nicht der Sonne, noch der Wärme und des Lichtes aus ihr bedurft, sondern alles Erschaffene würde ohne diese bestehen, während doch, wenn diese entfernt würden, das erschaffene Weltall in ein Chaos zerfiele. Die Weltsonne selbst besteht aus erschaffenen Substanzen, deren Tätigkeit das Feuer hervorbringt. Dies ist der Beleuchtung wegen angeführt worden.

In ähnlicher Weise verhielte es sich mit den Menschen, wenn das geistige Licht, das seinem Wesen nach Weisheit ist, und die geistige Wärme, die ihrem Wesen nach Liebe ist, nicht in den Menschen einfließen und vom Menschen aufgenommen würden; der ganze Mensch ist nichts anderes, als eine Form, organisiert zur Aufnahme dieser beiden, sowohl aus der natürlichen Welt, als aus der geistigen Welt; denn sie entsprechen einander. Würde man leugnen, daß der Mensch eine Form sei für die Aufnahme der Liebe und Weisheit von Gott, so würde auch der Einfluß geleugnet werden, und somit, daß alles Gute von Gott sei, und es würde auch die Verbindung mit Gott geleugnet werden, und es wäre sonach ein leeres Wort, daß der Mensch eine Wohnung und ein Tempel Gottes sein könne.

473. Das aber der Mensch dies nicht weiß aus irgendwelchem Licht der Vernunft, kommt daher, daß die Täuschungen aus den geglaubten Scheinbarkeiten der äußeren Sinne des Körpers dieses Licht verdunkeln. Daß der Mensch nicht anders empfindet, als daß er vermöge seines eigenen Lebens lebe, rührt daher, daß das Werkzeugliche das Ursprüngliche als das Seinige empfindet, und deshalb sie nicht unterscheiden kann; denn die erste oder Hauptursache und die werkzeugliche Ursache machen, nach einem in der gelehrten Welt bekannten Lehrsatz, zusammen eine Ursache aus; die Hauptursache ist das Leben, und die werkzeugliche Ursache ist das menschliche Gemüt. Dem Anschein nach besitzt auch das Tier ein ihm anerschaffenes Leben, allein es ist die gleiche Täuschung; sie sind nämlich Organisationen, geschaffen zur Aufnahme des Lichtes und der Wärme aus der natürlichen Welt und zugleich aus der geistigen Welt; denn jegliche Art ist Ausgestaltung irgendeines natürlichen Triebes, und nimmt Licht und Wärme auf aus der geistigen Welt, mittelbar durch den Himmel und die Hölle; die zahmen Tiere durch den Himmel, und die wilden durch die Hölle. Der Mensch allein nimmt Licht und Wärme, das heißt, Weisheit und Liebe, unmittelbar vom Herrn auf; dies ist der Unterschied.

474. Daß der Herr das Leben in Sich selbst, somit das Leben selbst sei, lehrt Er bei Johannes 1/1,4: „Das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort; in Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“. Joh.2/5,26: „Wie der Vater das Leben in Sicht selbst hat, so hat Er auch dem Sohn gegeben, das Leben in Sich selbst zu haben“. Joh.14/16: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Joh.8/12: „Wer Mir folgt, wird das Licht des Lebens haben“.