Inwieweit der Mensch wiedergeboren wird, insoweit werden die Sünden entfernt, und diese Entfernung ist die Sündenvergebung

611. Inwieweit der Mensch wiedergeboren wird, insoweit werden die Sünden entfernt, weil die Wiedergeburt ist, das Fleisch bändigen, daß es nicht herrsche, und den alten Menschen mit seinen Begierden zähmen, daß er sich nicht erhebe und das Verständige verderbe, nach dessen Verderbnis der Mensch nicht mehr besserungsfähig ist; diese Besserung kann nicht statthaben, wenn nicht der Geist des Menschen, der oberhalb des Fleisches ist, unterrichtet und vervollkommnet wird. Wer, dessen Verstand noch gesund ist, kann nicht hieraus schließen, daß dergleichen nicht in einem Augenblick geschehen kann, sondern, wie dies oben gezeigt worden ist, nur allmählich, wie nämlich der Mensch empfangen, im Mutterleib getragen, geboren und erzogen wird; denn das, was des Fleisches oder des alten Menschen ist, klebt von Geburt her an, und baut seines Gemütes erstes Haus, in dem die Begierden, wie wilde Tiere in ihren Zwingern, und zwar zuerst in den Vorhöfen wohnen, dann aber abwechslungsweise sich gleichsam in jenes Hauses Gelasse unter der Erde hinab begeben, und hernach auf Treppen hinaufsteigen und sich Kammern herrichten; was nach und nach geschieht, sowie das Kind heranwächst, zum Knaben, und hernach zum Jüngling wird, und dann aus dem eigenen Verstand zu denken, und aus dem eigenen Willen zu handeln beginnt; wer sieht nicht, daß dieses im Gemüt bis dahin aufgebaute Haus, in dem Begierden wie Ochim, Zijim und Satyrn sich an den Händen fassend Reigen aufführten, nicht in einem Augenblick zerstört, und an seiner Statt ein neues Haus aufgeführt werden kann? Müssen nicht die Begierden, die sich an den Händen halten und so ihr Spiel treiben, erst entfernt, und neue Verlangen, nämlich die des Guten und Wahren, anstatt der Begierden, die auf Böses und Falsches ausgehen, eingeführt werden? Daß dies nicht in einem Augenblick geschehen kann, kann jeder Weise schon daraus sehen, daß jegliches Böse aus unzähligen Begierden zusammengeblasen, und daß es ist wie eine Frucht, innerhalb der Oberfläche, voll von Würmern mit weißem Leib und schwarzem Kopf, und wieder, daß das Böse sehr zahlreich und unter sich verbunden ist, wie die Brut der Spinne, wenn sie eben erst aus ihrem Bauch ausgeheckt worden ist; daher denn, wenn nicht ein Böses nach dem anderen herausgezogen wird, und zwar so lange, bis das Band zerrissen ist, der Mensch nicht ein neuer werden kann. Dies ist zu dem Ende angeführt worden, daß man wisse, daß inwieweit jemand wiedergeboren wird, insoweit die Sünden entfernt werden.

612. Der Mensch neigt sich von der Geburt her zu Bösem aller Art hin, und begehrt es infolge der Neigung, und inwieweit er in der Freiheit ist, tut er es auch, denn von Geburt her gelüstet ihn zu herrschen über andere, und die Güter anderer zu besitzen, welche zwei Dinge die Liebe gegen den Nächsten zerreißen, und dann haßt er jeden, der sich ihm widersetzt, und aus Haß schnaubt er Rache, die inwendig den Tod hegt; daher kommt auch, daß er sich nichts aus Ehebrüchen macht, nichts aus Übervorteilungen, die heimliche Diebstähle sind, und nichts aus Lästerungen, die auch falsche Zeugnisse sind, und wer sich aus diesen und jenen nichts macht, der ist auch im Herzen ein Gottesleugner; von dieser Art ist der Mensch von Geburt her; woraus erhellt, daß er von daher eine Hölle im kleinsten Bild ist. Da nun der Mensch, zum Unterschied von den Tieren, dem Inwendigen seines Gemütes nach geistig ist, folglich für den Himmel geboren ist, während jedoch, wie gesagt, sein natürlicher oder äußerer Mensch eine Hölle in kleinstem

Abbild ist, so folgt, daß der Himmel der Hölle nicht eingepflanzt werden kann, sondern diese entfernt werden muß.

613. Wem bekannt ist, wie sich der Himmel und die Hölle zueinander verhalten, und wie die eine vom anderen entfernt wird, der kann auch wissen, wie der Mensch wiedergeboren wird, sowie auch, wie der wiedergeborene Mensch beschaffen ist. Damit dies erkannt werde, soll in der Kürze dies kundgetan werden, daß alle, die im Himmel sind, den Herrn vor dem Angesicht sehen, und alle, die in der Hölle sind, das Angesicht vom Herrn abwenden; daher sie, wenn man aus dem Himmel in die Hölle blickt, sich nur mit dem Hinterhaupt und mit dem Rücken zeigen; ja sie erscheinen auch wie umgestürzt als Gegenfüßler mit den Füßen nach oben und dem Kopf nach unten, und zwar dies, obwohl sie auf den Füßen gehen und das Gesicht nach allen Richtungen umherwenden; - denn es ist die entgegengesetzte Richtung des Inwendigen ihres Gemüts, die diesen Anblick verursacht; diese wundersamen Erscheinungen berichte ich als Augenzeuge. Dadurch ist mir enthüllt worden, wie die Wiedergeburt vor sich geht, daß sie nämlich ganz in der Weise geschieht, wie die Hölle entfernt, und so vom Himmel getrennt wird; denn der Mensch ist, wie oben gesagt worden, seiner ersten Natur nach, die er von der Geburt her hat, eine Hölle in verjüngtestem Abbild, und seiner anderen Natur nach, die er von der zweiten Geburt her hat, ein Himmel in kleinstem Abbild. Hieraus folgt, daß das Böse beim Menschen in ähnlicher Weise entfernt und ausgeschieden wird wie die Hölle und der Himmel im großen Bild, und daß das Böse, sowie es entfernt wird, sich vom Herrn abwendet und sich allmählich umwendet, und daß dies in demselben Grad geschieht, in dem der Himmel eingepflanzt, das ist, sowie der Mensch ein neuer wird. Diesem soll der Beleuchtung wegen noch das beigefügt werden, daß jegliches Böse beim Menschen in Verbindung steht mit solchen in der Hölle, die in ähnlichem Bösen sind, und umgekehrt, daß jegliches Gute beim Menschen in Verbindung steht mit solchen im Himmel, die in ähnlichem Guten sind.

614. Aus dem Angeführten kann erhellen, daß die Vergebung der Sünden nicht deren Ausrottung oder Abwaschung, sondern daß sie deren Entfernung und somit Absonderung ist. Ferner, daß alles Böse, das der Mensch sich wirklich angeeignet hat, bleibt; und da die Sündenvergebung deren Entfernung und Absonderung ist, so folgt, daß der Mensch durch den Herrn vom Bösen abgehalten und im Guten erhalten wird, und daß dieses es ist, was dem Menschen durch die Wiedergeburt gegeben wird. Einst hörte ich einen im untersten Himmel sagen, er sei rein von Sünden, weil sie abgewaschen seien, und zwar, wie er hinzusetzte, durch das Blut Christi. Weil er jedoch innerhalb des Himmels, und aus Unwissenheit in diesem Irrtum war, so wurde er in seine eigenen Sünden versetzt, zu denen er sich auch, wie sie zurückkehrten, bekannte; worauf er den neuen Glauben annahm, daß nämlich jeder Mensch, so wie jeder Engel, aus dem Herrn vom Bösen abgehalten und im Guten gehalten wird. Hieraus erhellt, was die Sündenvergebung ist, daß sie nämlich nicht eine augenblickliche ist, sondern daß sie der Wiedergeburt folgt Jesajah nach Maßgabe ihrer Fortschritte. Die Entfernung der Sünden, welche ihre Vergebung heißt, kann verglichen werden mit dem Hinausschaffen des Unrats aus dem Lager der Kinder Israels in die Wüste, die rings um dasselbe war; denn ihr Lager stellte den Himmel, und die Wüste die Hölle vor. Sie kann auch verglichen werden mit der Entfernung der Heiden von den Kindern Israels im Lande Kanaan, und der Jebusiter von Jerusalem, die nicht ausgetrieben, sondern abgesondert wurden. Sie kann verglichen werden mit Dagon, dem Gott der Philister, sofern er nämlich, als die Lade hereingebracht wurde, zuerst mit seinem Gesicht auf der Erde, und nachher mit abgehauenem Kopf und Vorderhänden auf der Schwelle lag, somit nicht ausgeworfen, sondern entfernt wurde. Sie kann verglichen werden mit den Dämonen, die der Herr in die Schweine fahren ließ, und die sich nachher in das Meer versenkten; durch das Meer wird hier und anderwärts im Wort die Hölle bezeichnet. Sie läßt sich auch vergleichen mit der Rotte des Drachen, die vom Himmel abgetrennt erst die Erde anfiel, und dann hinab in die Hölle geworfen wurde. Noch läßt sie sich vergleichen mit einem Wald, in dem allerhand wilde Tiere sind, und nach dessen Aushauung die wilden Tiere in das Gestrüpp rings umher entfliehen, worauf dann das geebnete Erdreich in der Mitte zu einem Acker angebaut wird.