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FESTE DES JAHRES.

 

In diesen Tagen mußt du gütig sein

und deines Liebens Lichtlein jenen zugesellen,

die sich gemeinsam mühn, mit ihrem Schein

der Zeiten Dunkel tröstlich aufzuhellen.

 

Nach Wärme lechzt die Menschheit und erfriert,

weil jeder nehmen will und keiner geben!

Weißt du, wie schwer sich hier das Licht gebiert?

Aus stein'gem Boden muß sich bebend heben

der in die Knospe eingesenkte Strahl

und offenbaren einem feindlich, starren Leben

die lichtgewobnen Blätter sonder Zahl.

 

Steh vor dem Wunder still:

Christrose blüht im Schnee.

Und sie, die geben will,

erleidet Winters Weh.

 

In diesen Tagen mußt du leise sein.

Noch liegt von zitternd Glück ein Schleier rings gebreitet

und hüllt Maria mit dem Kinde ein.

Urwissen, das des Kindes Augen weitet,

löscht bald genug des Mutterglückes Schein.

 

Der Kreuzesschatten steht am Horizont

noch unbemerkt. Maria neigt sich nieder

mit einem Lächeln, das die Welt besonnt,

und singt dem Himmelskinde Schlummerlieder.

Sei stille, stille - daß ein Klang nur fallt

in dein ergriffnes Herz, dann klingt er lange wider

aus deinem Herzen in die weite Welt.

 

Da werden viele still,

weil keiner stören will

der Rose Blühn im Schnee.

Da taut des Winters Weh.

 

Der Osterbotschaft heller Frühlingsruf

pflanzt seinen Jubel fort von Mund zu Mund

durch alle Formen, die der Geist sich schuf,

durch alle Herzen, die mit Gott im Bund

des Himmels Saatgut sind im Erdenrund.

 

Im heil'gen Schauer der Erwartung bebt

auch Elf und Gnom und alle Kreatur.

Erlösung heischend strebt zum Licht, was lebt,

wie all die Blumenaugen auf der Flur

aufblicken zum Erlöser der Natur.

 

Der Friede kehre ein in dein Herz und mache es weit und froh

und licht! Aus dem Licht kommt ihr, in das Licht geht ihr.

Es ist dasselbe Licht, das euer Ursprung und euer Ziel ist. Seid ihr

aber dieselben? Ist nicht ein Unterschied zwischen Ursprung und

Ziel? Wenn ihr ausgeht, um ein Ziel zu erwandern, seid ihr dieselben

noch, die am Ziele ankommen? Was euch unterwegs begegnete,

ist euer. Alle Freuden und alle Mühsal des Weges tragt

ihr in euch, wenn ihr anlangt. Ihr seid wegmüde im Gegensatz zu

der Ungeduld, die euch in die Ferne trieb. Aber ihr seid auch reicher

geworden. Ihr habt Unverlierbares in euch: Die Erprobung

von Kräften, die euch erst im Kampf mit Widerständen bewußt

wurden, die Enttäuschungen, die euch heilsam, die Erfüllungen,

die eurem Ausharren Lohn und Trost waren. Die ganze Welt ist in

euch, wenn ihr aus der Welt zurückkehrt: Ihr Schein, aber auch

das Sein, das jedem Schein zugrunde liegt.

 

Wer am Ursprung steht, hat die Reinheit des Lichts, aber die ungebrochene,

ungeprüfte Reinheit. Wer am Ziel steht, hat seine

Reinheit tausendmal verloren und tausendmal neu geschaffen. Er

hat die in Feuern der Schmerzen und Schauern der Sehnsucht

tausendfach geklärte Reinheit. Aber nur, wer die Klarheit des

Ursprungs mit der Erkenntnis des Weltenwanderers verbindet, ist

vollendet. Er hat sein Wesen zum Kreise geschlossen, durch den

das Leben fließt. Er hat alles in sich, was ist, ewig gegenwärtig.

Er hat Gottes Schöpfung in sich noch einmal wiederholt.

 

Erahnen nur könnt ihr, was ihr einst wissen werdet. Aber wenn

.izu Wissen geworden ist, was ihr jetzt erahnt, dann steht eine

neue Ahnung auf von Höherem, Herrlicherem und lockt euch

weiter. So ist die nächste Stufe immer verhüllt und offenbart sich

euch erst, wenn ihr sie errungen habt. Hebt euch empor, und wenn

ihr oben steht, dann reicht die Hände denen, die noch unten sind.

 

Dir zujauchzen, Unnennbarer,

wollt ich aller Welten Werden,

aller Wesen Lust erleben.

Dir zu dienen, einzig Wahrer,

könnt ich aller Qual auf Erden,

allem Weh mich willig geben.

 

Dir zu leben, Dir zu sterben,

nehm ich Wachstum wie Verderben

mit der gleichen Inbrunst hin.

Dich zu finden, zu ergründen,

muß ich alle Fackeln zünden,

muß ich alle Wege ziehn.

 

Alle Welten zu durchmessen,

um der Welten zu vergessen,

wenn dereinst im Abendglühn

Du, Allew'ger, mir begegnest,

meines Suchens Sehnsucht segnest

und mit Lächeln krönst mein Mühn.

 

Du ringst und rufst nach Glück!

Kaum zeigt es sich,

so läßt es dich

in Einsamkeit zurück.

Denn es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Leid, wie es dich schreckt!

Schon hat's den Arm gereckt,

dich zu erfassen -

und muß dich lassen!

Es ist ja eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Das Werk, das du erstrebtest,

dem du, dich opfernd lebtest -

kaum hast du es getan,

gehört es ändern an.

Ach, es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter !

 

So läuft der Erde Zeit.

Erst scheint der Tod dir weit,

dann ist er nah,

auf einmal ist er da!

Doch er ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,

komm weiter!

 

Und neuer Fähigkeiten frische Kraft

in ändern Leben neue Werte schafft,

und ein Erkennen löst das andre ab;

Erfahrung wird des früh'ren Wissens Grab.

Auch Wissen ist nur eine Sprosse auf der Leiter,

komm weiter!

 

Auch wir im Geistessonnenlicht,

auch wir im ändern Land erschauen nicht

das Ende unsrer Leiter

und streben weiter!

 

Ich fahr zum Lande „Unbekannt".

Vier Rosse hab ich vorgespannt,

die halten erst am Ziel:

Eins weiß, eins schwarz, eins falb, eins braun;

ich darf nicht rasten, darf nur schaun

des Lebens leichtes Spiel.

 

Ein Häuschen unterm Blütenbaum,

es bleibt zurück, es war ein Traum,

ich war so gerne dort!

Die Hügel auf, die Hügel ab,

in heißem Lauf, in scharfem Trab,

die Rosse ziehn mich fort.

 

So jagt mein Wunschgespann dahin,

was weiß ich, wo ich morgen bin,

schenk heut mir deinen Kuß!

Hab Dank, lebwohl, ich war dir gut,

und frag mich nicht, wie weh es tut,

daß ich schon weiter muß!

 

 

Die Rosse rasen querfeldein,

nun muß das Neue nahe sein,

ich blick' nicht mehr zurück.

Und dennoch, wie mein Herze bangt

und nach den letzten Blüten langt

und nach dem letzten Glück.

 

Die Wolken hängen schwarz und schwer,

ich sehe kaum die Rosse mehr -

stoß zu mit Blitz und Schlag!

Das braune blieb, das falbe fiel,

das schwarze steht. Ich bin am Ziel!

Und rings erglüht der Tag!

 

Das weiße hemmt nicht seinen Lauf,

es faltet nur die Flügel auf

und hebt mich himmelwärts.

Ich schau der Liebe Angesicht

und stürze, blind vor lauter Licht,

der Sonne an das Herz!

 

Jetzt bin ich am Glück vorbeigegangen

und vermochte nicht, es einzufangen,

weil mein schneller Schritt mich ihm entführte,

eh ich seines Blickes Blitzstrahl spürte!

Setzt ihm nach, ihr schnellen Sturmesreiter,

laß mich durch, Gestrüpp, ich will ja weiter!

Vogel flieg, die Richtung mir zu zeigen,

Bäume, hört doch endlich auf, zu schweigen!

Denkt, das Äug und Herz voll Glücksverlangen,

bin ich jetzt am Glück vorbeigegangen!

 

Doch die Bäume blicken unbewegt,

kaum, daß wie im Traum ein Blatt sich regt.

„Ruhe", sagt es, „nimm von uns die Ruh!

Schau, wir stehn und alles fällt uns zu!

Sonne sucht uns, Wolke gibt uns Trank,

Bienen wissen unserm Blühen Dank,

Vögel ruhn in unserm Schatten aus,

alles kommt zu uns ins grüne Haus!

Offnen Herzens sei und voller Ruh -

und das Glück kommt selber auf dich zu!"

 

 

Mein Weg war weit. Durch Raum und Zeit

zieht meiner Schritte Spur.

Und Leben sich an Leben reiht,

wie Perlen auf der Schnur.

 

Mich trug die Huld. Mich schlug die Schuld.

Es schwand, was mich beschwert.

Nicht Unheil und nicht Ungeduld

hat meinen Geist versehrt.

 

Aus jeder Nacht stieg neu entfacht

des jungen Tags Beginn.

Ich habe jeden Tod durchwacht

und wurde, der ich bin.

 

 

Es steigen und fallen die Tage der Menschen

dem Springbrunnen gleich, zwischen Höhe und Tiefe

zersprühend, zerstäubend in Farben und Klänge.

Und jeder von uns sucht das Seine in allem.

Der Weise allein sieht in allem das Eine:

Die Tropfen als Perlen an ewiger Kette,

die Dauer im Wechsel, den Sinn der Verwandlung,

das ewige, strömende Sein des All-Einen.

 

 

Wenn ich in der großen Helle

eines neuen Tages stehe

und vom Ursprung meiner Quelle

ihres Laufs Gefalle sehe,

 

wird mein Wissen hingerissen:

Nochmals ihren Weg begleiten,

niederstürzen von den Bergen,

um in Tälern sich zu breiten

 

und gesänftigt einzumünden

in das Meer der Ewigkeiten.

Wiederkehrend soll es künden

meinen Gang durch Erdenzeiten.

 

Aber nicht auf gleichen Pfaden

kehrt mir fernes Wissen wieder

von des Urmeers Lichtgestaden:

Schimmernd taut es auf mich nieder,

 

seinen Regenbogen schlagend

und mein Sein zum Kreise schließend,

Ziel und Ursprung in sich tragend,

ewig neu und ewig fließend.

 

Die abendlichen Nebel seh ich steigen. -

Wie, schon so spät, daß sich mein Tag will neigen,

der kaum gegrüßte, schon bereit zu scheiden?

Es ist mir doch, als war er erst entstiegen

den Morgenschleiern, die verheißend liegen

auf Blumenwiesen, meiner Kindheit Weiden.

 

Ich seh mich selbst, die Kinderhände streckend

nach jedem Glanz, entschleiernd und erweckend

und auch zerstörend, was sich mir versagte.

Von Kraft zu Kraft, von Sehnsucht zu Erfüllung

und immer dürstend noch nach neuer Stillung,

so schritt ich durch das Leben, da es tagte.

 

Und auch den roten Mohnkranz wilder Stunden

hab ich bedenkenlos ums Haupt gewunden.

Nun war er welk, mein Kranz aus wildem Mohne ...

Noch eh er welkte, nahm ihn mir vom Haupte

die Vaterhand, ersetzend, was sie raubte,

durch eines Dornenkranzes ew'ge Krone.

 

Und wieder Schleier, die sich mählich breiten

und meinem Tag den Abend still bereiten.

Jetzt decken sie die Erde mit Erbarmen

und hüllen meine Schuld in ihre Falten

und löschen Farben, Formen und Gestalten ...

Und meine Sehnsucht schläft in Vaterarmen ...

 

Der du wanderst nach dem Lichte,

sieh dich vor! Oft macht zunichte

alles Mühn ein falscher Schritt.

Steinschlag rollt und reißt dich mit.

 

Taucher auf dem Seelengrunde,

sieh dich vor! Zu keiner Stunde

bringt die See sich kampflos dar,

Perlen birgt sie und Gefahr.

 

An der Schwelle alles Schönen

stehn die Hüter und verhöhnen

und verzerren dein Besinnen

und verzögern dein Beginnen.

 

Willst du deshalb müde werden? -

Nein, und wenn mit Drohgebärden

aller Fluch, Gestalt geworden,

vor mir stünde, mich zu morden,

 

gäb ich tausenfach mein Leben!

Tausendfältig wird gegeben

meinem strebenden Bemühn

neu verkörpertes Erglühn!

 

Heute und in Ewigkeiten

will ich gleichen Weg beschreiten,

siegend, Gott, in Deinem Namen

und in Deinem Sinne! — Amen.

 

Was weiß ein Mensch auf Erden denn vom ändern?

Wenn sie die gleiche Straße Seit' an Seite wandern,

hat jeder seine eigne Welt und Zeit.

Das Jetzt des einen ist Vergangenheit

dem ändern, weil er längst schon überwand

die Prüfung, eh' sie vor dem Bruder stand.

Vergeblich sucht er dessen Lebenslust zu dämpfen,

vergeblich spricht er ihm von eignen Kämpfen!

 

Ein jeder glaubt nur, was er selbst erlebt,

und sieht das Stück nur, das er selbst gewebt

am großen Teppich dieses bunten Lebens.

Drum such nicht Anerkennung deines Strebens,

streb nicht nach Beifall, streb nur um des Zieles willen!

Der Mensch kann nie des Menschen tiefste Sehnsucht stillen,

das kann nur Gott! - Doch in Ihm wirst du finden

den Bruder auch und dich mit ihm verbinden.

 

Denn aller Menschenliebe unerlöster Rest

geht auf in einem Ziel, das unverrückbar fest

und ehern steht... Und aller Geister Blick

wird weit und wissend! Und der Welt Geschick,

des Lebens ganzer bunter Teppich ruht

zu ihren Füßen, und sie sehn ihr Gut,

des eignen Lebens Faden, - hat er Gott genügt? -

dem bunten Teppichmuster sorglich eingefügt.

 

Und was auf Erden ihnen unverständlich war,

die Vielfalt ihres Wesens, bietet sich nun dar

dem geist'gen Blick als schönes Farbenspiel.

Was sie getrennt erstrebten, jenes ew'ge Ziel,

dem sie verschiedne Namen gaben,

die sie oft mißverstanden haben —

die Namen waren es, die Erdenbrüder schieden,

des Ziels Erkenntnis erst eint sie zu ew'gem Frieden.

 

 

Es ziemt dem Wandrer, um sein Ziel zu wissen

und auch zu fragen nach dem rechten Weg;

denn hat der Himmel seine Schleusen aufgerissen,

ertrinkt im Regenrauschen Sicht wie Steg.

Will er nicht irre gehn, muß er vertrauen

dem Rat des ersten, den er trifft und fragt,

doch miß er prüfend ihn im innern Schauen,

am Fühl'n der Richtung, das er in sich trägt.

So, Weltenwandrer, prüfend und vergleichend,

nehmt alle Stimmen auf in euer Sinnen;

naht Rat von außen, euch die Hände reichend,

ergreift sie erst, tönt wider er von innen.

 

Es ist, was euch begegnet, euer eigenes Echo, der Spiegel eures

Seins. Und wenn ihr kämpfen sollt gegen das, was euch

des Kampfes wert erscheint, dann sollt ihr nur darum kämpfen,

daß ihr euch selbst bekämpft und besiegt.

 

Was ist es denn, das euch an Menschen, Begebnissen und Erlebnissen

hassenswert erscheint? Das nur, dem ihr noch nicht oder

dem ihr eben erst entwachsen seid. Wenn ihr eben erst entwachsen

seid der Stufe, auf der ihr andere nun stehen seht, so tragt ihr

noch die Schwingung jener Stufe in euch, die, kaum geweckt,

euch allzuleicht zurückruft und zurückreißt in eben überwundene

Zustände. Denn dieses in euch und durch euch in der Welt der

Erscheinungen Verwirklichte, das Saatgut eurer einstigen Taten,

ist das, was ihr nun ernten müßt so lange, bis ihr gelernt habt,

andere Saat auszuwerfen und andere Taten zu setzen, damit das

Echo, das euch zurückkommt aus der Umwelt, und das euer eigenes

Echo ist, rein und der Spiegel, der euer Bild nur zurückwerfen

kann, klar ist.

 

Denn was ihr seid, das begegnet euch. Was ihr wollt, im tiefsten

Innersten wollt, das wird euch zuteil. Was in euch ruht, das wird

von außen an euch herangetragen, durch äußeren Anlaß erweckt,

und ist doch nur das Wachwerden eures eigenen Seins, das sich

den ihm zugehörenden Umkreis und Ausdruck schafft. - Bei allem,

was ihr seht, erlebt, erleidet, sagt euch: „Das bin ich!" Denn

wäret ihr nicht, wie ihr seid, könnte die Umwelt, die nach eurem

Bilde sich geformt hat, nicht die Macht über euch besitzen, die sie

hat.

 

Dies sei euch gewünscht auf eurem Weg und sei euer Bemühn in

den Begebnissen: Nicht, daß ihr erlebt - daß ihr an Erlebnissen

euch erkennt und euch selbst findet, das ist des Erlebens Zweck.