Walter Lutz; „Die Grundfragen des Lebens“
Die Seele und ihr Aufstieg aus dem Naturreich
Ein groBes, herrliches Auferstehungslied im erhabensten Sinn ist die uns Menschenkindern durch Jakob Lorber enthüllte Seelenentwicklungslehre des Neuoffenbarungslichts.
Im vorangehenden Kapitel haben wir den aus Gott stammenden reinen Geist im Menschen als wahre, innerste Lebensgrundmacht kennengelernt. Nun möge unsere weitere Betrachtung zeigen, wie dieser "inwendige" göttliche Geistmensch aus den edelsten, gereiftesten Lebenselementen der Naturwelt unsere Seele gestaltet, um sie durch weise Führung nach dem Liebesplane Gottes zum ewigen Lebensziel der Vollendung in Gott zu leiten.
In dieser Hinsicht werden uns in den Lorberwerken tiefe Einblicke eröffnet. Wir wissen, daß die mit Luzifer aus der Ordnung Gottes gefallenen, im sichtbaren Weltstoffe materialisierten Lebenselemente zu ihrer geistigen Befreiung aus dem Materiegericht und zur Rückführung in die Ordnung des reingeistigen Gottesreichs aIle möglichen Lebensstufen der Naturreiche durchmachen und sich auf jeder Stufe von neuem in einen materiellen Leib "einpuppen" müssen, um immer höhere Erkenntnisse und Fähigkeiten sich anzueignen und immer neue Lebensfunken mit sich zu vereinigen.
Im ,GroBen Evangelium' hören wir aus dem Munde des Herrn weiter, daß der "jenseitige, reine Geist", der sich entschlossen hat, auf dem Weg durchs Menschenfleisch eine Seele zur Gotteskindschaft zu läutern, die Lebensfunken, die er als Menschenseele zur Vollendung führen will, schon von Anfang an auf ihrem ganzen Weg durch die Naturreiche bearbeitet, weckt, sammelt und ihren ganzen Aufstieg leitet.
Aufstieg durch die Naturreiche unter Leitung des Geistes
Wir lesen im ,GroBen Evangelium' (Bd. 6, Kap. 133, 4): ,,Ist eine Seele - was ihr jenseitiger Geist aus Gott gar hell sieht - einmal in einem Leibe, sei es dem einer Pflanze oder dem eines Tieres, durch die erforderliche Ausreifung fähig, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen, so veranlaßt ihr sie stets fortbildender jenseitiger Geist, daß ihr der für fernerhin unbrauchbare Leib abgenommen wird.
Dies, damit sie dann, als schon mit höherer Intelligenz begabt, sich einen anderen Leib bilden kann, in dem sie kürzere oder längere Zeit hindurch sich wieder zu einer größeren Lebens- und Tätigkeitsintelligenz emporarbeiten kann, und das so fort bis zum Menschen hinauf, wo die Seele, als schon völlig frei, im letzten (materiellen) Leibe zum vollen Selbstbewußtsein, zur Erkenntnis Gottes, zur reinen, göttlichen Liebe und dadurch zur vollen Vereinigung mit ihrem jenseitigen Geiste gelangt, welche Vereinigung wir die Neu- oder Wiedergeburt im Geiste nennen."
Mit der ordnungsmäßigen Zusammenfassung aller zu einem Wesen gehörigen seelischen Intelligenzen sind aber auch noch andere Haupt- und Grundgeister als Baumeister am Werke, welche die unendlich verzweigten Entwicklungswege durch die zahlreichen Lebensformen des Mineral-, Pflanzen- und Tierreichs leiten. Es sind dies die Engel mit ihren zahllosen Untergeistern, deren ein hoher Engelsgeist nach Lorber "Millionen und Abermillionen als Diener und Gehilfen besitzt."
Diese Unter- und Hilfsgeister bearbeiten im Atom, im Kristall, in der Pflanze, im Tier die aus der großen Luziferseele gelösten, willensfügigen Lebensfunken und führen sie unter der Oberleitung ihres Hauptgeistes Stufe um Stufe bis zu den höchsten Lebensformen des Tierreichs empor. Wie im Kriege die Unterführer, Offiziere und Soldaten im Feindeslande sich bewegen und wirken, so leben, wirken und walten diese Untergeister im sozusagen "feindlichen" Gebiet der Materie, während der leitende Hauptgeist selbst sich in dieser Zeit - wie ein Feldherr im Hauptquartier - in der obersten Luftregion, der sogenannten "Friedensregion" aufhält, wo (nach ,Erde und Mond', Kap. 28) alle jene vollkommenen Geister wohnen, deren Aufgabe es ist, die Lebensvorgänge in den niedereren Regionen der Naturwelt zu überwachen und zu leiten.
Vereinigung zur Naturseele
Gewährt nun ein Haupt- und Grundgeist in der Friedensregion, daß von seinen Unter- und Hilfsgeistern in verschiedenen höheren Tieren Seelenelemente in geeigneter Weise und genügender Anzahl vorbereitet und gereift sind, so ist es seine nächste Aufgabe, für die Vereinigung dieser Tierseelen zu einer sogenannten Naturseele zu sorgen.
"Aus einer einzigen Tierseele", sagt der Herr im ,GroBen Evangelium' (Bd. 6, Kap. 165), "kann nämlich nie eine Menschenseele werden. Man sagt darum auch, daß die Tierseele mit dem Tiere sterbe - was freilich nur so zu verstehen ist, dass z. B. die Seele eines Ochsen nach dem Verenden des Tiers völlig aufhört, eine Ochsenseele zu sein, weil sie sich bei ihrem Austritt aus dem Tierleibe alsbald mit noch vielen anderen freien Tierseelen zu einer neuen und vollendeteren SeeIe (Naturseele) vereinigt und als solche sich weiter ordnet und festigt, bis sie genügend gereift ist, um in einen Menschenleib eingezeugt werden zu können."
Wir haben durch Lorber diese Naturseelen als Erd-, Flur- und Luftgeister schon früher (S. 83 ff.) kennengelernt und wissen, daß sie nach Maßgabe ihrer Intelligenz und Willenskraft zu ihrer Weiterbildung in den verschiedensten Diensten im Inneren der Erde, in der Pflanzen- und Tierwelt und in der Atmosphäre - dem Herrn der Schöpfung zu dienen haben und daß sie dabei je nach Fähigkeit und Eifer aus den tieferen Sphären zu den höheren, und von einfachen Diensten zu bedeutenderen Aufgaben im Naturreiche aufsteigen können.
Gazelle, Schakal und Aar - Beispiel der Bildung einer Menschenseele
Wie eine solche Vereinigung verschiedener Tierseelen zur Naturseele von den höheren Dienern Gottes bewerkstelligt wird, ersehen wir aus einer Szene im ,Großen Evangelium' , wo die Jünger des Herrn folgendes beobachten "Bei dieser Gelegenheit", heißt es, "ersah man eine flüchtige Gazelle, die von einem Schakal verfolgt ward. In kurzer Zeit hatte der Schakal die Gazelle eingeholt und hatte, etwa fünfhundert Schritte vom Herrn und den Jüngern entfernt, eben nicht lange zu tun, mit seinem erjagten Morgenmahle fertig zu werden. Darauf begab er sich ganz langsam weiter gegen Süden hin, 'um sich irgendwo vielleicht noch ein Mittagsmahl zu erjagen.
Aber da flog ziemlich hoch in der Luft ein arabischer Riesenaar herbei. Dieser ersah aus der Höhe bald den schleichenden Schakal, stieß pfeilschnell hernieder und trug ihn trotz alles Sträubens hoch in die Luft empor. Dann ließ er ihn über einem Orte, der weithin sehr steinig war, niederfallen. Wie begreiflich, gab dies dem Schakal den Tod. Der Adler aber sank bald herab und überzeugte sich, dass der Schakal wirklich verendet war, nahm ihn abermals in seine Krallen und flog mit ihm südwärts, wo der Aar zwischen Steinfelsen sein Nest hatte.
Dort mit seiner Beute angekommen, ließ er sie abermals, da sie ihm zu schwer wurde, von einer ziemlichen Höhe hinabfallen. Die Beute aber prallte an eine Felsenwand und fiel in eine ziemlich tiefe Talschlucht hinab. In dieser Schlucht weideten arabische Hirten ihre spärlichen Herden und ersahen bald, wie scht der Riesenaar, als ein Feind ihrer Herden, stets mehr und mehr in die Tiefe herabsenkte, um seine ins Tal gefallene Beute zu holen.
Als die Hirten solches merkten, spannten sie sogleich ihre Bogen, und siehe, der Aar, von drei Pfeilen wohl getroffen, fiel tot in die Talschlucht und ward als Siegestrophäe von den Hirten in Empfang genommen. Der tote Schakal mit seiner Gazelle aber liegt noch zwischen den niederen Felsen, in die er hinabgefallen ist, und wird erst nach einiger Zeit von anderen Raubvögeln verzehrt werden.
"Und nun seht her", fährt der Herr fort, "dort vor der Türe steht eine Menschengestalt,
wie die eines Kindes, und wartet, bei einer nächsten Zeugung in den Leib einer Mutter aufgenommen zu werden. Und hinter dieser Seelenerscheinung seht ihr eine Lichtgestalt. Das ist schon dieser Seele jenseitiger Geist, der dafür Sorge tragen wird, daß diese Naturseele bei der allernächsten Gelegenheit in einem Mutterleibe versorgt wird.
Es wird davon ein männliches Kind zur Welt geboren werden, aus dem, so es wohl erzogen wird, ein großer Mann werden kann. - Das Gemüthafte der Gazelle wird sein Herz regieren, das Schlaue des Schakals seine Vernunft und das Kräftige des Riesenaars seinen Verstand, seinen Mut und seinen Willen. Sein Hauptcharakter wird ein kriegerischer sein, den er aber durch sein Gemüt und durch seine Klugheit mäßigen kann, wodurch er ein sehr brauchbarer Mensch in jeglichem Stande wird. Wird er aber ein Krieger, so wird er zwar auch durch seinen Mut Glück. haben, aber ebenfalls eine Beute der Waffen anderer Kriegsleute werden."
Einzeugung der Seele ins Fleisch
Die Erd-, Flur- und Luftgeister und sonstigen Naturseelen zeigen, wie wir schon einmal ausführten, im allgemeinen wenig Neigung, sich bald ins Fleisch des Menschen einzeugen zu lassen. Sie fürchten die ihnen aus ihren früheren, tierischen Einzeugungen wohlbekannte Schwere der materiellen Hülle und fühlen sich in ihren wandelbaren, leichten Geistformen, in welchen sie ohne Hemmnis durch Erde, Wasser, Luft und Feuer gehen können, bedeutend wohler. Ganz besonders aber fürchten sie die Menschenstufe, weil sie durch die höheren Geister und Engel des Herrn wissen, daß im menschlichen Probungsleben auf unserem Planeten den Seelen (ihrer Selbständigmachung wegen!) die Rückerinnerung an die vorhergehenden Seinsstufen gänzlich genommen und die bewußte Verbindung mit der geistigen Welt so lange verdunkelt wird, bis die Seele durch eigenes mühsames Suchen Gott, den großen Ur- und AIIgeist, durch den Geistesfunken in ihrem Herzen wiedergefunden hat.
Durch die höheren Gottesdiener erfahren die älteren, gereiften Naturseelen aber auch, daß für sie der große Fortschritt vom untergeordneten Geschöpf zum vollfreien, seligen Gotteskind in Zeit und Ewigkeit allein durch die Einzeugung ins Menschenleben möglich ist. Und so kommt dann schließlich auch für die hartnäckigsten Freunde der Geisterfreiheit eines Tages die Stunde, da sie sich zu diesem großen Schritt aufmachen.
Die durch vielfache Schulung in alIen Gebieten der Natur zur menschlichen Einzeugung gereiften Naturseelen halten sich zumeist in der mittleren Luftregion auf, etwa da, wo die Baumregion aufhört, bis zur Schnee- und Eisregion hinauf. –
»Wenn nun einmal eine solche vollständig einzeugungsreife Seele die gehörige planmäßige Beschaffenheit in der Luft erreicht hat, so steigt sie tiefer bis zu den Wohnungen der Menschen herab, bekommt dann aus dem Außenlebensätherkreise, den ein jeder Mensch um sich hat, eine gewisse Nahrung und bleibt, wo sie durch die Gleichartigkeit ihres Wesens angezogen wird.
Wenn dann irgendein Menschenpaar sich durch den Naturtrieb genötigt fühlt, eine Begattung zu begehen, erhält eine solche vollreife und dem Gattenpaare zunächststehende freie Naturseele aus dem Außenlebensäther eine Kunde davon.
Oder mit anderen Worten: sie wird durch die vermehrte Kraft des Außenlebenskreises der Gatten als verwandt angezogen, tritt mit einem gewissen Zwang während der Begattungshandlung in den Strom des Mannes und wird durch diesen in ein kleines Ei gelegt - was man die Befruchtung nennt. Und siehe, von da an gleicht die Lebensseele dann schon dem Samenkorn, das ins Erdreich gelegt ward, und macht im Mutterleibe bis zur Ausgeburt in die Welt alle die Zustände entsprechend durch, die das Samenkorn in der Erde durchmacht, bis es den Keim über den Erdboden treibt!" (Gr. Ev. Bd. 2, Kap. 216, 2 ff)
Die höheren Bestandteile der Menschenseele
Nachen Eröfnungen durch Jakob Lorber besteht aber unsere Seele nicht bloß aus den erwähnten, dem irdischen Naturreich entstammenden naturseelischen Lebensfunken; vielmehr stehen den geistigen Dienern Gottes bei der Gestaltung einer neuen Menschenseele auch noch zwei weitere, sehr wichtige Lebensquellen zur Verfügung, aus welchen sie nach Belieben die mannigfältigsten Lebensfunken schöpfen können, um der Seele in jeder Hinsicht die von Gott, dem himmlischen Bildner gewollte Veranlagung zu geben.
Seelenelemente aus den leiblichen Eltern
Die eine dieser beiden weiteren Quellen von Seelenfunken liegt in den leiblichen Eltern des zu zeugenden neuen Menschen.
Daß von Vater und Mutter Seelenelementea und auf die leiblichen Kinder gleichsam als ein Erbteil oder eine Mitgift übergehen, bald mehr vom Vater, bald mehr von der Mutter, ist eine altbekannte Erfahrung. Auch in den Lorberwerken wird diese Tatsache betont.
"Daß die Seele der Kinder", heißt es ,in ,Erde und Mond' (Kap. 53), "zum großen Teil auch aus der Seele der leiblichen Eltern genommen ist, beweist nicht selten schon die äußere (und seelische) Ähnlichkeit mit den Eltern. Denn was in der Seele eines Kindes aus den Zeugern ist, das spricht sich ebenbildlich durch die Ähnlichkeit aus, und die Eltern erkennen daran ihre Kinder.
Auf der Beimischung elterlicher Seelenfunken beruht auch die wissenschaftlich festgestellte Vererbung von Krankheiten und Krankheitsveranlagungen, desgleichen aber auch von künstlerischen, handwerklichen, geschäftlichen und sonstigen Talenten und Fähigkeiten. Auch die oft Jahrtausende sich von Geschlecht zu Geschlecht fortsetzende Übertragung von Rassen- und Stammeseigenschaften der Völker erfolgt auf diesem Wege.
Und endlich erklärt sich damit auch das von der Bibel gelehrte, von den Ungläubigen als Märchen verleugnete Übel der »Erbsünde". Die Stammeseltern des irdischen Menschengeschlechts hatten in ihren Seelen durch die in arger Lust begangene Übertretung der Gottesordnung die Selbstliebe bedeutend und verhängnisvoll verstärkt und die wahre Gottes- und Nächstenliebe dagegen in entsprechendem Maße geschwächt. Es ist daher begreiflich, daß sich dieser Übelstand durch die von Zeugung zu Zeugung übertragenen Seelenelementen bis in unsere Tage auf die Nachkommen vererben konnte.
"Was die organische Seelengestaltung einmal angenommen hat, kann ihr Tausende von Jahren (in den Kindern und Enkeln bleiben, wenn solches nicht durch den Geist wieder in die volle Ordnung gebracht wird... Wenn aber demnach schon ein leichter (sei es leiblicher oder moralischer) Zug eines Urstammvaters noch nach Jahrtausenden in seinen Nachkommen gar wohl zu erkennen ist, um wie viel mehr muß ein (solch hochgewichtiger) Zug des ersten Erdenmenschen sich in allen seinen Nachkommen zeigen, denen das Merkmal des Vaters gleich bei der Zeugung im Strome des Lebenssamens eingeprägt ward."
Zum Trost sei freilich gegenüber der harten, lichtlosen Vererbungslehre der Wissenschaft schon hier gesagt, daß der gütige Schöpfer und Himmelsvater die Veranlagung einer jeglichen Seele und ihre Führung durch das irdische und jenseitige Leben so wunderbar weise gestaltet, daß dem Menschen gegen jedes ererbte Übel leiblicher oder sittlicher Art auch Kräfte als Gegenmittel in genügendem Maße gegeben sind, besonders auch in dem ihm eingepflanzten göttlichen Geiste - so dass eine jede SeeIe, wenn sie nur guten und ernsten Willens ist, durch Gottes Liebe und Gnade auch über die schlimmsten erblichen Anlagen, sei es in diesem oder im anderen Leben Herr werden kann.
Seelenelemente aus den Sternen
Weitere, höchst wirkungsvolle und sehr reine Lebenskräfte, die den naturseelischen und elterlichen Elementen die Wage halten, empfangen alle Mensmenseelen endlich auch aus einer wichtigen dritten Quelle, nämlich jenen endlos reichen Lebensströmen, die immerfort von den großen kosmischen Licht- und Lebenssammelpunkten, den Gestirnen des ganzen Universums auf die Erde herniedertauen. Erleuchtete Weise haben davon zu allen Zeiten durch Beobachtung und innere Offenbarung Kenntnis gehabt, und in der Wissenschaft der echten Astrologie ist darüber manches Wahre niedergelegt.
Wie groß und vielseitig diese ständige Lebensstrahlung aus den zahllosen Welten und Sonnen des Schöpfungsalls ist, hat uns durch Jakob Lorber der Vater des Lichtes selbst klar und überzeugend enthüllt.! Durch Ihn wissen wir auch Näheres über die seelisch-geistige Natur der von den Gestirnen ausgehenden Lichtmaterie. Und wir werden auf Grund dieser Lehren ohne weiteres begreifen, daß für die Zusammensetzung und den Aufbau der Menschenseele auch diese Lebensfunken aus den fernen Welten von größter Bedeutung sind und daß in ihnen für die Diener Gottes, welche die Zusammensetzung der Menschenseele besorgen, ein geradezu unerschöpfliches Meer des Lebens geboten ist.
Nach Lorber sind diese Sternenkräfte Lichtatome, oder in ihrer reicheren Zusammensetzung Lichtmonaden genannt, ihrer Natur nach allerwinzigste, mit keinem Mikroskop unterscheidbare lichtmaterielle Kleinwesen, reich erfüllt von reingeistigen Kräften. Sie kommen von den Sonnen und werden auf den Planeten von den dortigen Lebensformen auf alIen Stufen vom Mineral bis zum Menschen als eine Haupt-Lebensnahrung ständig und mit Begierde aufgenommen. "Ja, alles, was körperlich auf und in der Erde (und anderen Planeten) vorhanden ist", lesen wir in ,Erde und Mond' (Kap. 21), "ist im Grunde das Werk gegenseitiger Wirkung der Sterne, und das darum, weil Ich, der Schöpfer, den großen Weltenmechanismus also eingerichtet habe."
Von den unzählbaren und unendlich verschiedenartigen "Sternenspezifiken", die den Weltenraum erfüllen, nimmt jedes Geschöpf das ihm Zusagende und Notwendige auf. Und das Bedürfnis eines irdischen Lebewesens nach dem einen oder andern Spezifikum ist oft so groß daß, wenn die betreffende, das Spezifikum ausstrahlende Sonne auf ihrer großen Bahn verschwindet, jene Art von Lebewesen zugrunde gehen muß, oder daß andererseits beim Neuauftauchen eines neuen Sonnengestirns plötzlich neue Lebewesen auf Erden entstehen. (,Erde und Mond', Kap. 21.)
Wahrhaft zahllose, von den Mineralien, Pflanzen und Tieren aufgenommene Sternenelemente mischen sich auf diese Weise schon durch die früher erörterten "naturseelischen" Bestandteile in die werdende Seele eines Menschen. Aber auch bei der Zeugung und während der Schwangerschaft und vornehmlich bei der Geburt führen die geistigen Diener Gottes der Seele solche Licht- und Lebensfunken aus den Gestirnen zu.
In ,Robert Blum' (Bd. 2, Kap. 265) lesen wir daher: "Es haben alle Seelen auf dieser Erde etwas aus allen Sternen in sich. Vorherrschend bleibt freilich das, was sie aus der Natur derjenigen Erdenwelt haben, auf der sie zuerst als vollständige Menschenseelen ausgebildet worden sind." - Und die Beobachtung der Astrologen, daß der Stand der Gestirne in der Geburtsstunde eines Mellschen von besonderem Einfluß ist auf dessen seelische Wesenheit, dürfte vielfach ihren guten Grund darin haben, dass die junge Menschenseele beim Austritt aus dem Mutterleibe besonders stärkungsbedürftig ist und die Diener Gottes der Seele gerade darum von den zu dieser Zeit wirkungsvoll stehenden Gestirnen besonders wichtige Himmelsspeise reimen. Nur sollten die Astrologen weiter berücksichtigen, dass die Seele des Menschen nicht bloß aus den Sternen der Geburtsstunde, sondern auch aus den Naturreichen dieser Erde und aus den Se~len der leiblichen Eltern stammt, und daB darum ihr Wesen und vermutliches Geschick nicht einzig und allein aus den Sternen gelesen werden kann, sondern daß dafür auch noch ganz andere Kräfte und Mächte maßgebend sind.
Der Reichtum der Menschenseele
Schauen wir nun auf dieses Werden und Zusammenströmen der Elemente unserer Seele aus allen Lebensstufen und -formen unseres Planeten und zahlloser anderer Erd- und Sonnenwelten zurück, so begreifen wir, daß die Seele des Menschen tatsächlich ein überaus reich zusammengesetztes Wesen ist. Unzählbare Myriaden von Lebensfunken, oder wie es bei Lorber heißt, "Spezifiken" der verschiedensten Art sind hier wie die Nebelbläschen in einer großen Wolke oder die Funken in einer Flamme zu einer Gesamtintelligenz vereinigt.
"Wo das Mineral", so wird in ,Erde und Mond' (Kap. 46) als Maßstab angeführt, "etwa acht, neun, zehn, höchstens bis zwanzig Intelligenzarten zählt, da sind bei mancher Pflanze schon viele Tausende, bei manchem Tier viele Millionen mal Millionen und bei Menschen wahrhaft zahllose, aus allen Sternen und aus allen atomistischen Teilchen der Erde."
"AIle diese vielen Seelenatome sind durch die Weisheit und den allmächtigen Willen Gottes zu einer vollkommenen Menschenform zusammengesetzt." (Gr. Ev., Bd. 7, Kap. 66) Im Kindesalter ist die Gestalt der Seele eine dem sichtbaren Körperleib entsprechend kindliche. (Gr. Ev., Bd. 10, Kap. 185) Mit zunehmendem Alter wächst sie sich zugleich mit dem Körperleib mehr und mehr bis zur vollentwickelten Menschengestalt aus und erfüllt und durchdringt als eine feine ätherische Substanz den ganzen Leib.
"Die Seele als geistige Substanz ist", so wird im Großen Evangelium gesagt, "ganz vollkommen Mensch, sowohl der Gestalt als auch allen Gliedern und Bestandteilen des Leibes nach. Wäre sie das nicht, könnte sie auch nicht von ihrem Leibe einen möglichst vollkommenen Gebrauch machen. Die Hände der Seele befinden sich in den Händen des Leibes, ihre Füße in den Leibesfüßen und so fort: alle Teile der Seele in den entsprechenden Teilen des Leibes. Wird der Leib krank, so ist die in den kranken Leibesteilen gegenwärtige Seele sehr bemüht, ihn wieder gesund zu machen. Gelingt ihr das nicht, so wird sie darin untätig und die Folge davon ist, daß dann ein solcher Leibesteil ganz gelähmt und nahezu gefühllos und untätig erscheint." (Gr. Ev., Bd. 6, Kap. 218 U. 219)
Als Beweis dafür, daß die Seele den ganzen Leib des Menschen einnimmt, wird von einem Jünger des Herrn im Großen Evangelium (Bd. 6, Kap. 219) erzählt: "Ich kannte in Rom einen Menschen, der hatte in einer Schlacht ein Bein bis übers Kniegelenk eingebüßt. Als ich ihn fragte, ob er von dem verlorenen Gliede nie mehr etwas wahrnehme, beteuerte er mir, daß es ihm oft vorkomme, als habe er das Bein nie verloren. Er hatte in solchem Gefühl schon öfter auf den anscheinend noch immer vorhandenen Fuß auftreten wollen und sei darum schon mehrere Male recht hart gefallen!"
Durch die den Leibesorganen entsprechenden Seelenorgane besitzt die Seele natürlich auch die betreffenden Sinne. "Die schärfsten Sinne des Leibes würden der Seele nichts nützen, so sie nicht selbst in ihrem ätherischen Leibe ganz dieselben Sinne besäße. Weil aber die SeeIe dieselben Sinne besitzt wie der Leib, so nimmt sie auch leicht und bestimmt wahr, was vorausgehend die Sinne des Leibes von der Außenwelt aufgenommen haben." (Gr. Ev., Bd. 4, Kap. 51)
Die Aura oder Außenlenlebenssphäre der Seele
Gesunde, starke und im göttlich Guten wohlentwickelte Seelen haben aber auch über ihre menschliche Formgestalt hinaus noch eine mehr oder weniger starke Ausstrahlung seelisch-geistiger Lebensfunken (Aura).
Im Großen Evangelium vergleicht daher der Herr den Menschen mit einer glühenden Kohle: Eine ganz ins Fleisch verwachsene, materiell gesinnte Seele gleiche einer nur matt glühenden, mit Asche umlagerten Kohle. Eine solche Weltseele brauche all ihr mattes Lebensfeuer zur Bildung der sie umlagernden, finsteren Materie. Da ist es sonach mit der Bildung einer Außenlebenssphäre so viel wie nichts, und daher kann solch eine sehr materielle Seele unmöglich je von einer besonderen höheren Geisteseigenschaft etwas verspüren.
Ganz anders, wenn eine Seele durch Belehrung und Selbstüberzeugung geistig geweckt und gleich einer hochfeurigen Kohle in starkem, frischem Luftzuge lebensglühend geworden ist. Da fängt eine solche SeeIe an, sich selbst in ihrem Sein und Wesen und ihrem Ursprung aus Gott zu erkennen. Werden die geistigen "Anwehungen" stärker und stärker, so wird ihr geistiges Licht stets heller und ihre Außenlebenssphäre immer weitreichender. Was dann in solch eine Außenlimtsphäre tritt, wird von der Seele bald und vollkommen erkannt, beurteilt und beherrscht.
Und wenn es eine Seele einmal sozusagen zur sprühenden Weißglut gebracht hat, so wird sie durch ihre machtvolle Außenlebenssphäre schließlich als Beherrscherin aller Kreatur dastehen, weil sie sich mittels dieser Lebensstrahlung in eine vollkommene, kräftigst wirksame Verbindung mit aller ihr nahestehenden Kreatur setzen kann. (Gr. Ev., Bd. 4, Kap. 261)
Eine Lebensausstrahlung der Aura haben übrigens aIle Gebilde und Wesen der Schöpfung, vom Atom und Stein bis zum Engel. Die Vollkraft und Vollwirksamkeit entfaltet diese jedoch erst beim Menscen in der geistigen Wiedergeburt, d. h. wenn der göttliche Geist die geläuterte Seele völlig erfüllt und durhdringt.
Sternenseelen
Durch den großen Seher und Gottesboten Jakob Lorber ward uns über die Herkunft mancher Menschenseelen noch eine weitere wunderbare Kunde. Wir hören, daß unter den Menschen der Erde sich auch solche befinden, deren Seele nicht von dieser Erde ist. Diese Menschen haben schon auf einem oder nicht selten auch auf mehreren anderen Weltkörpern gelebt. Sie haben sich nach ihrem dortigen Abscheiden aus gewissen Gründen auf unserer Erde noch einmal einzeugen lassen und durchlaufen nun hier auf diesem einzigartigen Planeten noch einmal das schwierige und bedeutsame Mensmendasein, um hier das erhabene Ziel der höchsten und seligsten Gotteskindschaft zu erlangen.
Zu Seelen von unten (über die Naturseelenentwicklung) und von oben (nicht gefallene Seelen, Inkarnation aus den Sternenwelten und aus Seinenn Himmeln)
jl.ev06.178. Kapitel
01] Nur Lazarus sagte und fragte: »Herr und Meister, bin ich etwa auch einer von oben her?«
02] Sagte Ich: »Allerdings, denn sonst hättest du die Zeichen, die Ich vor deinen Augen schon mehrfach gewirkt habe, nicht mit so viel Ruhe und Gleichmut ertragen, als wäre da etwas ganz Natürliches geschehen. Alles hatte dich nur gleich während des Geschehens überrascht, - einige Augenblicke später war dir die Sache schon wieder mehr gleichgültig; denn du dachtest es dir also: Einem Menschen sei es unmöglich, so etwas wie das Fliegen in der Luft gleich den Vögeln zu bewirken. Ich sei aber einmal ganz Gott, und es sei denn auch ganz natürlich, daß Mir alles gerade also möglich sein müsse wie dem Vogel das Fliegen in der Luft, und es sei daher durchaus kein anderes Wunder wie alle von Mir erschaffenen Dinge. Der Mond, die Sonne, die Sterne und diese Erde und alles, was in ihr, auf ihr und über ihr ist, lebt und sich regt, seien bleibende Wunder Meiner Weisheit und Macht, und die jetzigen Wunder seien bloß momentane Zeugen davon, daß Ich eben Derselbe sei, der schon von Ewigkeit her die Unendlichkeit mit zahllosen und bleibenden Wundern angefüllt habe. So Ich denn als Gott Wunder wirke, so sei das nichts Wunderbares, sondern das eigentlich Wunderbare an Mir sei Meine unbegreifliche Liebe zu euch, Meinen Geschöpfen, und Meine so große Herablassung und selbstlose Güte, Sanftmut, Geduld und ordentliche Demut vor den Menschen, die Ich mit einem Hauche ins reinste Nichts verwehen könnte.
03] 'Ja', sagst du bei dir weiter, 'wenn das alles auch ein Mensch zuwege bringen möchte, dann wäre es wohl ein Wunder, so gut, als es sehr wunderbar wäre, so ein Mensch gleich einem Vogel sich in die Luft erheben und im Freien herumschweben könnte.'
04]
Siehe, so du nicht von oben her wärest,
wärest du solcher Gedanken nicht fähig, und Ich würde vor dir aus weiser
Schonung deines freien Willens solche Zeichen, wie Ich sie gewirkt habe, nicht
gewirkt haben! Die da unten aber sind nicht von
oben her,
sondern von dieser Welt,
und Ich darf darum vor ihnen auch keine solchen Zeichen wirken wie vor dir und
vor diesen Meinen Jüngern. Sie dürfen nur davon reden hören, aber ja nicht viel
davon sehen; denn sähen sie die großen Zeichen, die Ich wirke und gewirkt habe,
so würde sie das völlig töten. Darum müssen sie allein an Meiner Rede nagen.
05] Es wird ihnen aber schon auch noch ein
Zeichen gegeben werden, aber kein anderes als das des Propheten Jonas; denn wie
er nur drei Tage in dem Bauche des Fisches verweilte und dann lebend an das Ufer
gesetzt wurde, also werde auch Ich drei Tage im Grabe zubringen und dann wieder
lebend hervorgehen zum größten Schreck und Gericht für die da unten.
06] Merket euch alle das, daß die Kinder dieser Erde nicht durch Zeichen, sondern nur durch das lebendige Wort für Mein Reich zu gewinnen sind! Denn die meisten Kinder dieser Erde - wenn sie nicht schon durch allerlei falsche Zeichen zu verdorben sind - sind leichtgläubig und nicht begriffsstutzig und können daher durch eine rechte Rede bald und leicht für die Wahrheit gewonnen werden; aber durch zu auffallende Zeichen würden sie jedes eigenen Denkens und Wollens völlig verlustig werden. - Weißt du nun, Lazarus, ob du von oben oder von unten her bist?«
07] Sagte Lazarus: »Ja, das sehe ich nun schon ein, daß ich auch irgend von oben her sein werde; aber wie werden wir denn erkennen, wer unter den uns begegnenden Menschen von oben oder von unten her ist?«
08] Sagte Ich: »Wenn es nötig sein wird, so wird
es euch schon der Geist in euch kundtun. Aber es gibt auch ein äußeres und
selten trügliches Zeichen, durch das bald an dem Menschen wohl zu erkennen ist,
von wo er der Seele nach herstammt.
09] Seht, die Seele behält auch in ihrem
notwendig finsteren Fleische ein gewisses Gefühl davon, woher sie ist, und kehrt
selbst des Fleisches Ohren und besonders die Augen gerne dahin, von wo sie
urständig abstammt. Menschen, die ihre Blicke gerne nach oben richten und gerne
der Berge Höhen besteigen, auch gerne jene Laute vernehmen, die irgend aus der
Höhe an ihr Ohr kommen, sind sicher auch von oben her. Aber Menschen, die ihre
Blicke zumeist auf den Erdboden richten und in selbem herumwühlen und allerlei
Schätze suchen und nur selten ihre Augen und Ohren nach aufwärts richten, die
sind auch ganz sicher von unten her. Nach diesem könnet ihr, wenn ihr darauf
achtet, auch schon so recht klar erkennen, wen ihr vor euch habt.
10] Menschen,
die von oben her sind, sind gewöhnlich auch sehr erfinderisch und
bringen allerlei Künste und Wissenschaften
zuwege; aber sie sind dennoch alle mehr
oder weniger hartgläubig, denn sie wollen alles ganz klar bewiesen haben. Der
Grieche Philopold in Kane bei Kis glaubte nicht eher, als bis Ich ihm jene
Sonnenerde zeigte, auf der er zuerst ein Fleisch trug; und beinahe alle Kyniker
sind ganz dasselbe. Vor denen könnet ihr Welten erschaffen, so wird das vor
ihren Augen kaum so viel Wirkung haben, als so ihr einem Menschen dieser Erde
saget: 'Gehe hin und tue das!' Der wird euch kaum fragen und sagen: 'Ja, warum
denn das?', sondern er wird es darum gläubig tun, weil es ihm ein Weiser gesagt
hat; die Ursache hofft er dann noch immer früh genug zu erfahren. Aber ein
Mensch von oben her wird euch ernst und fest ins Auge fassen und fragen: 'Warum
denn das? Ohne Grund tue ich nichts! Erkläret euch näher, und ich werde sehen,
was daran ist, darum ihr saget: Gehe hin und tue das!'
11] Denn Ich sage es euch, daß es da auf gar vieles ankommt, um sich zu vergewissern, mit welches Geistes Kindern man es als ein Lehrer zu tun hat, und mit welchen Reben in Meinem Weinberge; denn dasselbe Wort kann die besten, aber auch die schlechtesten Folgen haben, so man es dem Charakter des Anhörers entweder gemäß oder nicht gemäß vorträgt.
12] Die schwachen kleinen Kinder dieser Erde
glauben, wie schon gesagt, alles bald und leicht, was man ihnen zum Glauben
vorstellt, und benötigen der Erklärung erst hintennach, wenn sie sich einen
großen Vorrat an Glaubenssätzen angeeignet haben. Es ist daher bei ihnen wohl
sehr darauf zu achten, daß ihnen ja stets die reinste Wahrheit gepredigt wird, -
und wehe dem, der die Kleinen der Erde mit allerlei falschen Lehren und
Beispielen ärgern möchte, wie Ich euch solches schon einmal in einem kleineren
Bilde in Galiläa gezeigt habe! Aber bei den Kindern von oben ist die Erklärung
entweder schon zum voraus oder doch mindestens mit der Lehre zugleich zu geben,
ansonst sie nicht leichtlich etwas als eine volle Wahrheit annehmen werden.
13] Ihr waret schon gar oft Zeugen, wie Ich es
mit den Griechen und Römern gemacht habe; tuet auch ihr desgleichen, und ihr
werdet sie um so leichter gewinnen, weil ihr Mich und Meine Werke vor euch habt,
auf die ihr euch allzeit fruchtbringend berufen könnet! Im Notfalle werdet ihr
auch selbst Zeichen zu wirken imstande sein; aber seid damit ja sparsam und
wirket erst dann ein Zeichen, so ihr im Geiste dazu genötigt werdet! Denn ein
Zeichen wirkt zwar Gutes, aber ein wahres, lebendiges Wort um tausend Male ein
Besseres, weil durch das Wort dem Menschenherzen kein Zwang auferlegt wird.
14] Denn das Wort beleuchtet zuerst den Verstand
des Menschen. Dieser erweckt dann erst den Willen und die Liebe im
Menschenherzen. Die Liebe wird zu einer mächtigen Flamme. Diese beleuchtet und
belebt dann erst den Willen im Herzen, und dieser handelt dann nach der
Vorschrift des eigenen Verstandes, und was der Mensch also frei aus sich tut,
das ist eigene, verdienstliche Tat, und der Mensch hat also erst seinen eigenen
Lebensherd gefunden.
15] Das Zeichen aber schlägt des Menschen
Verstand auf eine lange Zeit nieder und schreckt allein die Liebe und ihren
Willen zum Handeln auf. Aber es ist dieses Handeln gleich einem durch die Luft
geworfenen Steine, der sich auch so lange durch die Luft bewegt, als die
Wurfkraft mit seiner Schwere in Verbindung bleibt; sowie diese aber nur zu bald
aufhört, fällt der Stein nach seiner Schwere wieder als tot und unbeweglich auf
den Boden und bleibt da liegen in seinem alten Gerichte.
16] Die Seele eines durch ein Zeichen bekehrten
Menschen gleicht da völlig einem geworfenen Steine und handelt dann blind aus
Furcht vor dem Zeichen; wenn aber das Zeichen dann mit der Zeit an seiner Kraft
verliert, so erschlafft auch die Liebe und der Wille der Seele, besonders bei
den Nachkommen, die kein Zeichen gesehen haben, und wird völlig träge und hält
das Zeichen entweder für ein Zauberstückchen oder platterdings für eine Lüge und
Erfindung der Vorfahren. Denn fragt die Seele den Verstand, was an dem Zeichen
sei, so kann dieser ihr keine Erklärung geben, da er selbst nie eine bekam, und
er urteilt dann ganz gut also: 'Sind wir denn weniger Menschen als unsere
Vorfahren, die allerlei Zeichen erhielten und dann leicht glauben konnten? Wir
sollen nun glauben, was wir nicht verstehen, und die Zeichen, von denen wir bloß
reden hörten, sollen uns als Glaubensmotive dienen? Nein, das geht durchaus
nicht! Das kann ein weiser Gott, so Er irgend einer ist, von uns schwachen
Menschen ewig nie verlangen! Daher verlangen auch wir Zeichen oder wenigstens
eine solche Erklärung, die uns ein rechtes Licht gibt über das, was wir glauben
und was wir tun sollen, auf daß wir den rechten Grund erkennen. Denn wir
verlangen solche Glaubensmotive, die für alle Menschen zu allen Zeiten als
wirksam erscheinen, aber nicht solche, die wir zuvor auch erst glauben müssen,
auf daß wir dann auch das glauben können, was zu glauben wir durch sie genötigt
werden.'
17] Seht, so urteilt dann der Verstand der
Menschen, und das sogar mit Recht! Denn ist die Lehre auch mit gegebenen Zeichen
vor dem Menschenverstande nicht in das rechte Licht gestellt worden, so geht sie
ehest mit allen Zeichen unter, und die Menschen kommen dabei um allen Glauben
und verfallen in ihr altes, träges und wildes Leben, bis dann irgendein
pfiffiger Magier über sie kommt und sie mit falschen Zeichen leicht und bald auf
seine Seite bringt.
18] Daher sage Ich euch allen noch einmal ganz
eindringlich: Lehret hell und klar, und seid in hohem Grade sparsam mit den
Zeichen, so werdet ihr bleibende und unwandelbare Jünger zeihen! Denn das
Zeichen vergeht; aber die helle und reine Wahrheit bleibt ewig und bedarf zu
ihrer Bestätigung gar keines Zeichens mehr, weil sie selbst das höchste Zeichen
ist, das aus den Himmeln zu jeder Zeit den Menschen, die es suchen, gegeben
wird.
19] Es gibt aber schon auch Zeichen, die ihr
wirken möget; aber da soll das Zeichen nur eine rechte Wohltat sein für arme und
bresthafte Menschen ohne Unterschied des Standes und des Glaubens, aber nicht
ein besonderes Beweismittel für die reine Göttlichkeit Meiner Lehre.
20] Die Lehre muß durch ihr Licht selbst sich
auch ohne alle andern besonderen Zeichen als rein göttlich erweisen und jedem,
der danach tut, den inneren, lebendigen Beweis ihrer vollsten Echtheit geben.
Wenn ihr das beachtet, so werdet ihr Mir wahrlich gute Jünger nach euch
erziehen; werdet ihr alles das aber nicht ganz genau beachten, so werdet ihr
selbst dem Gegenchrist die Tore öffnen, und ihr werdet offenbar selbst das Weite
zu suchen bekommen.«