Baltasars Erlebnis mit Alina

Baltasar wird gestört, er hört Schritte, die sich leise zu ihm bewegten. Er stand auf und ging den Schritten entgegen. Da steht ein Weib vor ihm und spricht: “Wer du auch seist, schone und schütze mich!”

Baltasar spricht: „Wer bist du und wie kommst du hierher, mitten in der Nacht und in dieser Wildnis?” “Ich bin meinen Peinigern entflohen und weiß weder Weg noch Ziel. Schon seit gestern irre ich umher und wenn Gott der Allmächtige nicht hilft, komme ich um. Ich habe einen Herrn, dem ich entflohen bin, weil ich schlimmer wie ein Tier behandelt wurde.”

Baltasar: „Komm mit mir in meinen Wagen, damit dein Hunger gestillt wird und am Morgen werden wir sehen, was sich tun lässt, denn noch gehörst du deinem Herrn.”

Baltasar gab dem Weib ein großes Stück Brot und einen Trunk Wasser, bereitete ihr ein Lager und sagte: „Nun ruhe bis zum Morgen, hier bist du unter meinem Schutz und danke Gott, dass Er dich mich finden ließ die Gnade Gottes und die Liebe Jesu sei mit dir:”

Wachend verbrachte er die Nacht - ein Weib kommt mitten in der Nacht und verlangt Schutz. In ihm ist ein Kampf. Hat er das Recht, das Weib zu behalten oder nicht? Sie ist das wohlerworbene Eigentum des anderen und das Gesetz ist gegen ihn, so er versucht, sie zu behalten. Was wird Jakobus sagen? Halt, Jakobus muss aus dem Spiele bleiben, ich muss handeln. Was sagst du, O Herr dazu?”

Leise vernimmt er die Gedanken: `Batest du Mich nicht, Ich solle dich ganze Liebe werden lassen? Alles vermag ich, nur das eine nicht, dass der Mensch zur Liebe wird, das ist des Menschen eigene Sache. Nur helfen darf und will Ich!`

Baltasar: „O Mein Herr und Gott, verzeihe mir, dass ich einen Augenblick Deine herrliche Liebe vergessen konnte, nun weiß ich, was ich zu tun habe.” Ruhig wurde es um ihn, ein frohes Gefühl belebte ihn und in diesem Gefühl fühlte er die Nähe des Herrn. Sein Bild wurde in ihm lebendig und sagte: `Auf das wir Eins in der Liebe werden!`

Der Morgen graute, da kam das Weib aus dem Wagen und dankte ihm mit Tränen in den Augen. Dann sagte sie: „Herr, lasse mich Feuer machen und ein Mahl richten, hast du noch mehr Leute bei dir?” Baltasar: „Gut, im Wagen findest du alles, richte für drei ein Mahl!”

Nun es heller wurde, betrachtete er das Weib, welches noch sehr jung und sehr lebhaft war. Ihre Bewegungen waren flink. Noch nie hatte er ein Weib so betrachtet wie er es jetzt tat.

Jakobus hatte das Lager verlassen. Er begrüßte Baltasar herzlich und zeigte auf das junge Weib, das am Feuer saß. Dieses aber hatte ihre Gedanken auf den kochenden Topf gerichtet und bemerkte nicht, wie sie beobachtet wurde.

„Eine Heidin,” fragte Jakobus, „wie kommst du zu dem Mädchen? Baltasar: „Es ist mir zugelaufen in der Nacht und suchte Schutz bei mir, aber wie kommt es, dass du mich fragst. Hat der Meister dir nichts offenbart?” Jakobus: „Nein, Bruder, ich weiß gar nichts. Nur das eine, dass der Herr nichts ohne Grund zulässt und dass wir die Handelnden sein sollen.”

Baltasar: „Richtig, Bruder -die Handelnden- das ist es; aber meine Handlungen werden gegen das Gesetz verstoßen, es wird mich Mühe kosten, alles in Ordnung zu bringen.” Jakobus: „Siehe Baltasar, du begehst schon einen Fehler, indem du etwas als Mühe ansiehst. Warum schaust du dein Beginnen nicht als ein Werk der Liebe und für die Liebe an? Dem Herrn ist alles recht und Er fragt nicht, wie du es vollbracht hast. Eben in und durch die Liebe wachsen Kräfte, die noch brach liegen in dir. So die Liebe in dir der Wecker ist, stehen dir viele Helfer zur Seite. Oder hast du dein Erlebnis in deiner Welt schon vergessen?”

Baltasar: „Jakobus. ich danke dir-. ich hatte es nur auf Augenblicke, jetzt aber wird mir Klarheit!”

In diesem Augenblick war die Sonne aufgegangen. Das Mädchen kam zu den beiden und sagte: „Herr, das Frühmahl ist fertig, gib mir Anweisung, was ich tun soll”

Baltasar: „Bleibe hier und stärke dich. Für die nächsten Tage bist du meine Schwester bis ich dich von deinem Herrn gelöst habe. Hier siehst du einen Jünger des Herrn, dem ich die Wahrheit über den wahren Herrn und Gott verdanke.”

Das Mädchen: „Herr, ich soll deine Schwester sein? Ich soll wieder frei und froh werden?”

Sie ergreift die Hände des Baltasar und unter Tränen spricht sie: „Herr lass mich deine Magd sein, alles werde ich tun um dich und deinen Gott zu erfreuen und lasse mich teilnehmen an deinem Gott, denn Er ist auch der meine.”

Sich an Jakobus wendend sagt sie: „Dich kenne ich und durch dich Den Herrn. Wohl habe ich schwer dulden müssen um des Herrn willen, aber diese Stunde macht alle Leiden bezahlt.”

Jakobus reicht ihr die Rand und spricht: „So danke auch dem Herrn mit Herzen, Mund und Händen und vergiss nicht, dass Er es war, der es zuließ, dass du in das Leid und nun in die rechte Freude kommst. Willst du aber den Herrn recht erfreuen, so bemühe dich, ganz in Seinem Geist und in Seiner Liebe tätig zu sein. Nicht im Erfüllen des erkannten Gotteswillens allein, sondern im Erstehen der freien Kindesliebe, die nur eines kennt, dem Herrn als dem himmlichen Vater Freude über Freude zu machen.”

Wie strahlten dem Weibe die Augen. Diese Worte waren für sie das Herrlichste, was sie in ihrem Leben bis jetzt erlebt hatte.

Jakobus segnete das Mahl, dann nahmen sie in dankbarer Freude das einfache und doch so köstlich schmeckende Mahl ein. Baltasar fuhr weiter, das Weib nicht weiter beachtend bat er Jakobus, ihn doch mehr und mehr in das Wesen der Liebe einzuführen, die ihm als das Höchste und Herrlichste erschien.

So schilderte Jakobus das Leben des Herrn und führte ihn in die Welt, die ihm selbst der Herr erschlossen hatte als Liebe und Leben. Sie hatten ganz das Weib vergessen, bis ein Schluchzen die beiden aufmerksam machte.

Jakobus drehte sich um und sagte: „Alina, warum weinst du? Ist die Liebe nicht allein das erlösende und das befreiende Leben? Das, was du hörtest, ist noch nicht das Leben, sondern der Weg zu demselben. Noch bist du innerlich unfrei. Das dir zugefügte Leid hat dich hart und verschlossen gemacht. Nicht der Herr kann dich, wie du annimmst, frei machen, sondern nur du selbst!

Innerlich frei werden heißt vergeben zu können und wenn möglich, noch Gutes dafür zu tun. Der Meister lehrte es uns nicht nur, sondern lebte es uns auch vor und was war meistens die Folge? Er gewann dadurch die Herzen und machte sie zu rechten Arbeitern in Seinem Weinberg.”

Alina: „Muss ich wieder zurück zu dem Unmenschen?” Jakobus: „Alina, hast du vergessen, dass Baltasar sagte, du sollst solange seine Schwester sein, bis er dich gelöst hat? Vertraue Ihm ganz und zweifle nicht an Seiner Liebe; aber in deinem Herzen kann nicht eher die reine Liebe-Einzug halten, bis du ganz still und hingebend geworden bist.”

Alina weinte still, dann sagte sie: „Wenn du es sagst, muss es auch so sein. Sollte aber ich es nicht vermögen, dann mögen die erlebten Stunden der Lohn und das Geschenk Gottes sein. Ich dachte sterben zu müssen unter der Brutalität meines Herrn; aber nun werde ich doch versuchen, das Schwere zu ertragen. Darum lasst mich wieder zurückkehren, damit ihr nicht ins Unglück kommt.”

Baltasar: „Alina, du bleibst, ich habe dich zu meiner Schwester gemacht und sei ohne Sorge, der Herr wird alles zu einem herrlichen Ende führen.”

Jakobus reicht Baltasar die Hand und spricht: „Bruder es wird gelingen. Nun spricht der Herr zu mir: `Fahre zu Alina's Herrn. Wenn die Sonne am höchsten steht, werden wir sein Lager erreicht haben. Er bedarf einer Hilfe. Seine Leute verweigern ihm den Dienst, wenn er nicht Alina suchen lässt.`” So kam es, dass Baltasar einen Auftrag erhielt und Jakobus eine neue Arbeit.

 Inhaltsverzeichnis Band III