Andree

 

 

Andree verließ eilends das Haus, Kaspar aber sagte: „ Wenn das gut geht, lieber Freund, denn mein Nachbar, Iwans Vater, hält auf seine Götter noch größere Stücke, denn ich.“

 

Spricht Jakobus: „ Du wirst noch manche Enttäuschung  an deinen Göttern erleben, aber sei deswegen unbesorgt um die Anderen. Wenn der ewige Gott dir Seinen Segen nicht geschenkt hätte, wäret ihr längst nicht mehr hier. Gott ist ja nicht nur Liebe, sondern auch Geduld. Und darum lasse dein Herz recht weit offen, damit du den rechten und neuen Geist aus Gott in dir aufnehmen kannst.“

 

Erwidert Kaspar: „ Lieber Fremdling, du redest mit einer Bestimmtheit, dass ich deinen Gott zu dem meinen mache. Ahnst du denn nicht, dass mich nichts von meinen Göttern trennen kann? Eher geht eine Welt zu Grunde, ehe ich anders denke.“ - „Du hast recht, Kaspar, deine Welt wird in Trümmer gehen. Verlassen wirst du sein von deinen Göttern, da sie nicht da sind. Dann wirst du mit Freuden die Hand des Heilandes Jesu ergreifen und wirst erleben die Liebe, die Gnade und die Erbarmung Jesu.“

 

Spricht Vera: „ Lieber Fremdling, nimm es meinem Kaspar nicht übel, er ist ein Dickkopf und nimmt nicht gern Belehrung an. Aber ich bitte deinen Gott für ihn, dass Er Seine Hilfe nicht zurück ziehe. Mit Freuden gäbe ich mein Leben, so Kaspar wieder ein froher Mensch wäre. Seit Iwans Unglück trägt er doppelt schwer.“

 

 „Mutter Vera, wer so liebt, wie du, trägt unbewusst das Heilandsleben in sich. Freue dich der Gnade des lebendigen Gottes! Bald wird dein Mund nicht laut genug rühmen können, was euch allen Gutes widerfahren ist.“

 

Salome, die Tochter, tritt zagend zu Jakobus und spricht: „ Du musst mir verzeihen, Fremdling, ich habe solche Angst um Andree, denn wenn Andree sich wirklich an den Göttern vergreift, dann gibt es ein Unglück. Du hättest Andree nicht auffordern sollen.“

 

Jakobus spricht: „ Salome, warum sperrst du dich auch für den lebendigen Gott, der nur Liebe ist und auch dein Bestes will? Nicht die Angst um Andree öffnet dir den Mund, sondern die Angst um Iwan. Was soll denn Gott tun, um euren Sinn zu ändern, oder glaubst du wirklich, dass deine Götter Iwan heilen können? Niemals, aber nun versichere ich dir, Iwan ist gesund! Eile hin zu ihm, damit du, die du an Iwans Leid den größten Anteil nimmst, auch die erste Freude erleben kannst.“

 

Nach wenigen Minuten kommt Andree zurück. Aufgeregt wie noch nie, spricht er:  „Freund komme, lass dich an meine Brust drücken, denn für das, was ich jetzt erlebt habe, gibt es keine Worte. O Du lebendiger Gott, warum lerne ich Dich erst heute kennen?“ Er drückt Jakobus stürmisch an seine Brust, schwieg dabei einige Minuten. Dann ging er zu seinem Vater und sagte: „ Vater, erlaube mir, dass ich unsere Götter hinaus in den toten Brunnen trage, der uns sowieso kein Wasser mehr gibt. Jetzt beginnt eine neue Zeit, eine Zeit des Lebens aus Gott, der da ewig und wahrhaftig ist!“

 

Kaspar spricht: „ Andree, du bist ein Narr geworden, lasse doch erst die Beweise sprechen.“ Andree spricht: „Vater, Beweise verlangst du noch, wo in mir alles zum Durchbruch drängt? Jeder Augenblick, den ich noch zögere, deucht mir Sünde gegen Gott. Vater, nun bitte ich dich, störe mich nicht in meinem Wirken, denn ich muss, sonst hätte ich jeden Anspruch an Gott verwirkt.“

 

Vera, die alles genau verfolgt hatte, sagte: „ Andree, so habe ich dich noch nie gesehen. Was ist in dich gefahren, wie sprichst du auf einmal gegen deinen Vater?“

 

„Mutter, Mutter, verzeihe deinem Sohn, so er in seinem Drang nicht die überzeugenden Worte fand, aber ich muss. Mir ist, als wenn durch mein Zögern ich euch an dem Glück, den lebendigen Gott kennen zu lernen, große Schuld aufladen würde. Komm, Krischan, hilf mir, wir beide haben immer die größte Sehnsucht nach Wahrheit gehabt.“ Spricht Krischan: „ Ja, Andree, wir machen das Haus rein, es ist genug geredet.“

 

Kaspar war wie gelähmt, als die beiden Söhne die toten Götzen von Simsen und Konsolen nahmen und hinaus in den Brunnen warfen, öfter mussten sie gehen. Als sie ihr Werk beendet hatten, tritt Andree hin zu Jakobus und spricht: „ Freund, das Haus ist gereinigt für deinen Gott, offenbare uns, wie Er der Unsrige werde.“

Jakobus spricht: „ Andree, in deiner Schwester Kammer befindet sich noch eine Figur. Beende auch dort noch das von dir angefangene Werk.“ – „ Davon weiß ich aber nichts“, erwiderte Andree, „aber ich will nachschauen, denn auf dein Wort hin tue ich es. Weißt du davon, Mutter?“ – „ Nein Andree, ich weiß auch nichts davon. Willst du nicht erst Salome fragen?“ erwiderte Vera. Da sagte Jakobus: „ Es ist wirklich so. Ganz heimlich verschaffte sich Salome diesen Götzen, den sie täglich bat, er solle Iwan die Sprache wieder geben. Hebe den Deckel von ihrer Truhe, dann kannst du dein begonnenes Werk vollenden.“

 

Andree ging, in wenigen Minuten hatte er die kleine Figur in den Händen und sagte: „Sehet,  wie wir Menschen noch so dumm sind. Ich könnte dieses in meiner Hand zerdrücken, und dieses sollte Iwan heilen? Ich verstehe dich, lieber Freund und Wohltäter, dass es uns Menschen größte Pflicht ist, das Leben zu suchen, wo es ist, nämlich im eigenen Herzen, und nicht in toten Dingen!“

 

Andree ging mit der Figur hinaus, in diesem Augenblick kommt Salome mit Iwan. Sie fragt Andree: „ Wo willst du noch hin?“ Da spricht Andree: „ Deinen toten Gott in den Brunnen werfen, weil er doch kein Leben hat. Wartet noch einen Augenblick, ich muss die Freude mit Vater und Mutter erleben.“ Spricht Salome: „ Andree, gib mir die Figur zurück, ich selbst will sie versenken, wo sie niemand mehr finden wird, denn damit begrabe ich auch meine Dummheit.“

 

Andree gibt dieselbe Salome zurück, nimmt Iwan bei der Hand, dann geht sie mit ihm zum Brunnen und wirft die Figur hinein. Gemeinsam treten sie ins Haus, da spricht Iwan:   „Große Freude lebt in mir, ich kann wieder richtig sprechen. Darf ich euer Sohn sein, der euch lieben wird, solange ihr noch seid? Ich liebe Salome und begehre sie als mein Weib.“

 

Kaspar spricht: „ Was ist mit dir geschehen, Iwan, du hast die Sprache wieder gewonnen, wie ging dieses zu?“

 

Iwan spricht: „ O, was soll ich sagen, Andree ist ganz aufgeregt. Er kommt in unsere Stube, Vater war gerade mit mir darinnen, da spricht er: `Herminus, wir haben einen lebendigen Gott, in Seinem Namen begehe ich den ersten Gottesdienst und opfere Ihm deine toten Götter`. Ehe mein Vater etwas sagen konnte, langt Andree über die Tür auf den Sims und wirft unseren Hausgott vor unsere Füße. Ich schreie auf vor Schreck, da kann ich reden und sage Andree, `was bedeutet das alles?` Da umarmt mich Andree und spricht: `Iwan, das größte Glück bedeutet dieses, nur die toten Götzen sind uns noch im Wege`. Ohne zu fragen, greift er nach den anderen Götzen. Da sagt mein Vater: `Andree, bist du in deinem oder in meinem Hause. Die Götter bleiben, sonst schlage ich dich nieder, wie du meinen Hausgott zerschlagen hast`.

 

Da sagt Andree: `Herminus, du hast recht, du musst selbst dein Haus reinigen von den toten Dingen, wenn dich der lebendige Gott mit Seiner Liebe und Gnade beglücken soll. Siehe, die wiedergewonnene Sprache Iwans ist Gottes erstes Werk unter uns. Morgen wird das zweite Werk Gottes offenbar werden: wir werden einen Brunnen graben, der nicht nur uns, sondern der ganzen Gemeinde gehören soll und uns allen zu einem dauernden Segen werden wird. In meines Vaters Haus ist ein Bote von Ihm eingekehrt. Die Heilung des Iwans geschah im Auftrage des wahren und lebendigen Gottes! `

 

Da betritt Salome unsere Stube, auch Mutter kommt aus dem Stall, da sagte ich: `Salome, nun ist der Weg frei, ich darf um dich werben! O, welch großes Glück, dass du gekommen bist!` Da spricht Andree: `Nun Salome gekommen ist, kann ich gehen, denn Salome kann besser die Wahrheit über den lebendigen Gott bekunden, wie ich`. Mein Vater ist stumm und Mutter nimmt Salome ans Herz, nun ist sie meine Braut.“

 

Kaspar spricht: „ Iwan, Iwan, mir ist alles wie ein böser Traum, ich weiß gar nicht, was ich denken soll, aber schau, ich vertraue dir Salome an. Denn dass Salome dich liebt, hat sie uns nie offenbart, aber dieser Fremdling tat es, denn er verriet, dass sie täglich ihren Gott für deine Heilung anflehte.“ Da drehte sich Salome um und sagte zu Jakobus: „ Woher wusstest du dieses? Habe ich es doch mit keinem Wort verraten, mein süßes Geheimnis.“

 

Spricht Jakobus: „ Mein und nun auch euer Gott offenbarte mir dieses. Und darum empfange du nun auch den Segen von dem lebendigen Gott für deinen Lebensbund, auf dass ihr als Gesegnete auch Segen verbreiten könnt. Du aber, mein lieber Hausvater, gib mir eine Kammer, ich sehne mich nach Ruhe, denn morgen sollt ihr alle die Herrlichkeit Gottes erleben.“ Jakobus ging, von Salome geleitet, in das Gemach. Die Familie aber blieb noch lange wach, denn Iwan hatte viel zu erzählen.

 

Ganz in der Frühe gingen die Kinder des Kaspars ans Werk. Zuvor aber holte man Jakobus und ließ sich die Stelle anweisen, wo gegraben werden soll. Da gingen sie, von Jakobus geleitet, an die Stelle und Jakobus sagte: „Hierher kommt der Brunnen, aber ihr müsst noch für einen Ablauf sorgen und eine Tränke für euer Vieh anlegen, denn es ist eine mächtige Quelle, die euch viel zu schaffen machen würde, wenn nicht zuvor ein Ablauf geschaffen ist.“

 

Da sperrte Kaspar seinen Mund auf und sagte: „ Mir wird Angst vor deinem Gott, wie werde ich dann bestehen können?“ – Spricht Jakobus: „ Ganz gut Kaspar, du wirst Ihn lieben und ein treuer Diener sein. Deinen Kindern aber ist Größeres beschieden, sie werden Seine Kinder werden!“

 

Sieben Stunden grub man, dann wurde das Erdreich feucht. Mit Eimern hatte man die ausgegrabene Erde in den alten Brunnen geworfen. Da sagte Jakobus, der auch tüchtig mitarbeitete: „ Jetzt Vorsicht, macht mit Steinen noch einen hohen Rand, damit niemand hinein fallen kann. Und hier lasset eine Öffnung zu dem Graben, in wenigen Minuten wird sich euer Glauben krönen! Du Kaspar, hole deine Freunde, deine Nachbarn, vor allem Herminus, der sich gegen den lebendigen Gott wehrt.“

 

Mit den Steinen des alten Brunnens war in kurzer Zeit die Umfassung fertig. Nachbarn kamen, schüttelten mit dem Kopf über die Dummheit des alten Kaspars. Als aber Iwan mit gewaltiger Stimme die Bemerkungen verbat, schwiegen sie und staunten, dass Iwan reden konnte. Mit vieler Mühe gelang es Kaspar, Herminus an den neuen Brunnen zu bringen.

 

Da sagte Jakobus: „ Liebe Freunde, ihr seid erstaunt über das, was sich hier abspielt. Kaspars Brunnen versiegt, in Kürze versiegen auch eure Brunnen. Eure Götter haben euch noch in keiner Weise geholfen, da sie auch nicht helfen können, denn sie sind ohne Leben!

 

Ich, Jakobus, bin ein Zeuge des alleinigen und wahren Gottes und bringe euch allen die Wahrheit über den wahren und ewigen Gott, der eure Not im voraus sah und nun mit Seiner Hilfe euch entgegenkommt! Ihr braucht diesen lebendigen Gott zu eurem Leben, und dass Er das Leben ist, wird euch dieser Brunnen beweisen! – Andree, stoße noch einmal tief in die feuchte Erde, im Namen des lebendigen Gottes, und mit dem Herausziehen deiner Eisenstange wird die Quelle laufen“.

Andree nimmt die schwere Stange, wuchtig stößt er im Namen des Heiligen Gottes. Da zieht er die Stange zurück und das Wasser spritzt viele Meter hoch. Der Brunnen füllte sich schnell, in kaum einer viertel Stunde lief das Wasser schon in den Ablaufgraben.

 

Jakobus spricht: „ Bringet einen Becher. Kostet nun das Wasser und betrachtet diesen Brunnen als das Geschenk, welches Gott euch allen gegeben hat! – Du aber, Du herrlicher Gott, habe Dank für all Deine Liebe und Treue, Amen!“

 

Da betrachteten alle – es waren an dreißig Menschen – das große Wunder und bestaunten das Wasser, welches sich inzwischen geklärt hatte. Krischan, einen Krug in den Händen, sagte: „ Jakobus, hier ist ein Krug, gib du als erster von uns von dem Brunnen, er heißt von nun an  Jakobus-Brunnen!“ Jakobus aber sagte: „Salome, gib allen von dem Brunnen zu trinken, denn du hast geglaubt, ohne zu fragen.“

 

Es tranken alle von dem wohlschmeckenden Wasser, da tritt Herminus zu Jakobus und sagt: „ Fremder, ich ahne Großes von deinem Gott. Was muss ich tun, um Ihn zu verehren?“

 

Spricht Jakobus: „ Herminus und ihr alle, höret! Dieser lebendige, für euch unbekannte Gott fordert viel, welches in dem besteht, dass ihr Ihm alle eure Götter opfert. Sonst aber bittet Er euch durch mich: Liebet Ihn und liebet euch, betrübet keiner den anderen und seid voll Erbarmung und Barmherzigkeit gegen die, die euch noch nicht ganz verstehen. Dieser Brunnen verpflichtet zu nichts. Er sei Eigentum der ganzen Gemeinde, wie auch der lebendige Gott das Eigentum aller werde! Nun aber geht wieder zurück in eure Hütten und kommet am frühen Abend, da will ich euch mit dem lebendigen Gott bekannt machen.“

 

Es blieben trotzdem noch einige, die das Wunder betrachteten. Dann kam eine Herde Schafe und Ziegen, welche das frische Wasser tranken aus dem Graben. Da sagte einer: „ Die Tiere wissen es auch schon und bleiben doch nicht stehen. Es wird besser sein, sich mehr um den unbekannten Gott zu kümmern!“