Das Friedenslicht im heiteren Morgenblau
Neutheosophischer Verlag J. Busch, Bietigheim
Dreieiniges Wesen Gottes
oder
Wer ist Jesus ?
Druck im März 1900
Abschrift der Seiten 45 bis 118
Himmlische Beleuchtung des Falles Adams
Eine andere göttliche Absicht bei der Schöpfung war die Verherrlichung des Dreieinigen und hauptsächlich die Vervielfältigung des göttlichen Ebenbildes. Nun aber kann diese Vervielfältigung durch nichts, als die wesentliche Mitteilung seiner selbst geschehen; denn das innere göttliche Leben, ohne welches sich doch kein wahres Ebenbild denken lässt, ist von Gott im höchsten Grade unabtrennlich. Diese Mitteilung seiner selbst war also die notwendige Folge des göttlichen Ratschlusses, so zwar, dass unmöglich irgend ein Geschöpf aus der Hand Gottes hervorkommen kann, ohne mit dem göttlichen Charakter bepräget, ohne von seinem unzugänglichen Lichte durchdrungen und daher auch wesentlich mit ihm verbunden zu sein.
Wir haben gesehen, dass ebengesagte Mitteilung des göttlichen Lichtes in der vierten Naturgestalt geschieht, indem das Licht des Urgrundes, nachdem es sich mittels dem leidenden Teile der Weisheit dem Geschöpfe bereits um einen Grad genähert hatte, in einem sich durchkreuzenden Blitzstrahle hervorbricht und die Finsternis der sieben Naturgeister in Licht und Liebe verwandelt. Wir sagen Finsternis; denn ohne das Leben aus Gott sind die Natureigenschaften eitle Finsternis und ein Chaos von Angst, Widerwärtigkeit und allem erdenklichen Elende. Vermöge ihrer einander entgegenstehenden Kräfte liegen sie ewig im Streite und sind einem Schlachtfelde ähnlich, wo die eine Lebenskraft einen Augenblick sieget, um von der andern wieder sogleich besieget zu werden. In diesem Zustande heißen sie in der Sprache der Schrift Hölle, woraus denn folget, dass alle freien Geschöpfe die Hölle in dem Innersten ihres eigenen Wesens verborgen tragen, welche in Absicht auf die drei ersten Lebenskräfte wahre, alles Lichtes beraubte Finsternis, nach den übrigen vier Kräften aber ein wildes, unbändiges, verzehrendes Feuer ist. Denn die vierte Naturkraft ist sowohl die Quelle zum Feuer als Lichte, als welches ohne die Feuerkraft keineswegs empfindlich werden, noch in seinem vollen Glanze strahlen könnte. Wenn nun Gott sein Licht entziehet, so bleibt dem Geschöpfe nur jener nagende Feuerwurm übrig, von welchem Christus sagt: dass er nicht sterben werde, bis ihm das Öl der göttlichen Sanftmut und Liebe wieder tingieret. Das eigene Kreaturleben kann also wohl für sich ohne das göttliche Licht bestehen; alsdann aber befindet es sich in einem gewaltsamen Zustande, der ihm Wut, Angst und Verzweiflung übrig lässt, weil er aus der göttlichen Ordnung ausgegangen ist. –
Aber warum beliebte Gott eben diese Ordnung, möchtet ihr sagen, welche dem Geschöpfe so gefährlich werden kann? - Deswegen Brüder, weil er bloß Liebe ist, und diese, wenn wir so sagen dürfen, ihm gleichsam das Gebot auferlegte, den kreatürlichen Lebenskräften freier Geschöpfe eine solche Einrichtung zu geben, welche sie bei der mindesten Verirrung durch ihren eigenen inneren Drang nötigen musste, wieder zu ihm zurückzukehren, damit er sie wiedergebäre, erleuchte und an den Schätzen seiner Allgenügsamkeit Teil nehmen lasse. O wie tief, wie alles umfassend waren dort deine göttlichen Worte o Jesu! Ach, freilich muß unsere Finsternis unaussprechlich groß sein, wenn sogar das Licht, das in uns ist, sich in Finsternis verwandelt hat.
Bisweilen redet die Schrift von dem lichteren Zustande der Geschöpfe, als von einem so heftigen Durste, welcher von nichts als dem göttlichen Lichte und Lebenswasser gestillet werden kann. Andernmale beschreibet sie ihn als eine so unermessliche Leere, welche gleichsam mit der Unermesslichkeit Gottes im Verhältnisse stehet und daher auch nur von ihm allein erfüllet zu werden fähig ist.
Habt ihr diese Wahrheiten noch nie an eurem Herzen gefühlt, liebe Brüder, noch nie empfunden, was Hölle und Verlust des göttlichen Lebensprinzips sei? Ist euch in den Augenblicken, wo der Geist des Gewissens sich zu fühlen gibt, die Welt noch nie zu eng geworden? Habt ihr noch nie mit lechzender Zunge nach einem Tröpflein Lebenswasser geschmachtet? O, alsdann seid ihr freilich nicht geschickt, von Dingen dieser Art zu urteilen, denn nur die eigene Erfahrung hat den Schlüssel zum Verstande dieser Wahrheiten, wovon sodann Glauben und Überzeugung notwendige Folgen sind. Man muß hungrig gewesen sein, wenn man die Annehmlichkeiten wahrer Sättigung erkennen, fühlen, schätzen soll. Ach! dass ihr hungrig und durstig, mühevoll und beladen wäret! Wie würden wir uns freuen euch das Öl der Sanftmut, den Balsam reiner Geistesfreude in unserm Jesu zeigen zu können, als welcher allein fähig ist, den quälenden Streit eurer Lebenskräfte in eine sanfte, paradiesische Mischung umzuschaffen, und den Frieden, der höher ist als alle Vernunft in eure Seele zu pflanzen.
Aus dem, was bisher gesagt worden, erhellt zugleich was die göttliche Rache und Gerechtigkeit sei. Wir haben gesagt, dass in Gott selbst außer Natur und Schöpfung, nichts als Güte, Liebe, Seligkeit und Frieden sei. Zorn und Strafe sind daselbst vollkommen unbekannte, ja unmögliche Dinge. Aber in der Natur, oder vielmehr in den entwickelten Lebenskräften derselben finden sich beide als ein zum Leben der Kreatur unvermeidliches Triebwerk. Wenn es daher von Seiten Gottes nötig wird irgend ein freies Geschöpf zu strafen, oder Gerechtigkeit an ihm zu beweisen, so ziehet er sich nur von diesem Geschöpf zurück, damit es der Hölle, das ist seinem eigenen Feuerlebensgrunde anheim falle, welcher augenblicklich soviel Gerechtigkeit und Strafe an ihm ausübet, als groß das Verbrechen und die Verlassung Gottes ist.
Nehmet z.B. das Öllichte, das Balsamische aus unserer körperlichen Natur hinweg und lasset bloß das kerrosive Feuerwesen in ihr zurück, und schließet dann selbst, was die Folge davon sein werde, ach! auch Jesus, der Sohn des Vaters, hat aus purer Liebe zu unserm Heile diese schreckliche Verlassung Gottes in einem so hohen Grade fühlen wollen, dass sein äußerer Mensch in jene trostlose Klage auszubrechen genötigt wurde: "Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich verlassen!" – Wir wissen es wohl, liebe Brüder, dass es von jeher, selbst im Schoße des heiligen Ordens, Leute gegeben hat, welche verwegen genug waren des gekreuzigten Weltheilandes einen Grund erborgen zu wollen, ihm seine ewige Gottheit streitig zu machen. Diesen haben wir nichts zu sagen, als dass wir sie bedauern und den ewigen Erbarmer flehentlich bitten, er möchte diese taumelnden Witzlinge doch einst an ihr eigenes Kreuz anheften, und es ihnen durch eigene Erfahrung zu erkennen geben, aus welchem Gesichtspunkte die Worte Christi zu verstehen seien. O wie so gar anders würden die Resultate ausfallen. Ihre Gelehrsamkeit, ihr Witz, ihre Schultheologie reichet freilich nicht hin, das Licht zu sehen, wo sie im Finstern tappen. Der Herr verbirgt ihrem witzelnden Verstande das Große, das Göttliche, welches hierin verborgen liegt. Mußte denn nicht Jesus einmal in seinem Leben, ganz Mensch, einmal einen Augenblick ganz von der Gottheit verlassen werden, um die ganze Sündenlast jener Welt, die er erlösen sollte, in ihrer größten Stärke zu fühlen? Und haben sie es vergessen, wie kindlich und vertrauensvoll der gute, so unschuldig lebende Jesus nach dem Verluste dieses schrecklichen Augenblickes seinen Geist in die Hände seines Vaters befahl ? –
Was wir bereits gesagt haben, wird vollkommen reichen, den Zustand kennen zu lernen, in welchem notwendig alle Geschöpfe aus der Hand Gottes kommen müssen. Ihr innerer Lebensgrund, welchen Gott der Kreatur als ihr Eigentum zugeteilt hatte, bestand nämlich aus den sieben Geistern der ewigen Natur, welche das göttliche Öl und Wasser temperierte, und der Geist des Wortes wesentlich durchdrang und belebte. Weil es nämlich selbst über die Grenzen der Allmacht hinausliegt, neben sich noch mehrere selbständige Wesen, und welches einerlei ist, noch mehrere Gottheiten zu schaffen, so mussten notwendig alle, auch die erhabensten Geschöpfe, etwas an sich tragen, das sie von dem allein selbständigen Gott unterschiede. Dieser Unterschied bestehet hauptsächlich in zwei Dingen:
1. in der positiven Unmöglichkeit, den Lebensgrund von und aus sich selbst, wie Gott, zu besitzen, oder wie die Schrift sich ausdrückt, das Leben zu haben in ihm selber, und
2. in der Auflöslichkeit der Lebensbande, welche in Gott ebenfalls im vollkommenen Grade unauflöslich sind.
Daher nennet ihn Paulus den Alleinunsterblichen, weil die Geschöpfe nicht aus sich selbst, wie Er, sondern nur durch seinen Willen unsterblich sind. Um nun den ersten Mangel abzuhelfen, musste Gott im Anfange, das heißt zu einer Zeit, wo außer Ihm noch nichts vorhanden war, ein von dem Seinigen unterschiedenes Naturleben hervorbringen, dem Er Sein eigenes Sein und Leben mitteilen konnte; denn ohne geschaffene Unterlage lässt sich nichts gedenken. Der zweite Mangel konnte anders nicht, als durch die wesentliche Mitteilung Seiner eigenen Lebens-Unauflöslichkeit gehoben werden. Beides brachte Gott dadurch in Erfüllung, dass er aus sich selbst das Potentialsubstratum der ganzen künftigen Schöpfung aussprach, oder gebar, solches in der Weisheit zur Wurzel in der ewigen Natur fasste und endlich alles Geschaffene durch die 7 Geister oder Intelligenzen, nicht durch eine simple Emanation, sondern durch eine wahre Ausgeburt stufenweise hervorbrachte.
Die Bewohner der innern geistlichen Welt, welche die Schrift Feuerflammen nennet, waren die Erstlinge aller Kreaturen. Sie sind im vollkommensten Sinne des Wortes wahre Feuerflammen, d.h. eine Zusammensetzung von Feuer und Licht, wie Feuerflammen es sind. Allein ihre innere Dreiheit aus der ewigen Natur, ihr feuriger Triangel, ihr eigentümliches Kreaturleben war vom Lichte gänzlich überherrscht und verschlungen, und in diesem Lichte wohnet der allbelebende Geist des Wortes, der sie in Allem nach seinem Wohlgefallen lenkte, ohne jedoch ihrer Freiheit Zwang an zu tun. Das innere Triebwerk ihrer englischen Seele war demnach der Fußschemel des Lichtes, und das Licht der Thron des göttlichen Geistes. Gleichwohl besaßen sie das Band zwischen beiden, nämlich den göttlichen Geist, nicht auf eine unabtrennliche Weise, weil sie, wie gesagt, keine Götter, keine selbstständigen Wesen sein konnten. Weil sich auch der gütige Schöpfer nicht bloß mechanischen Geschöpfen mitteilen, sondern sich vielmehr als eine Belohnung der Treue und wechselseitigen Liebe zu genießen geben wollte; so schuf er sie mit einer unbedingten Willensfreiheit, das heißt, er verlieh ihnen eine unendliche Quelle von Selbstbewegungskraft, ohne jedoch die Potenz zur Abweichung von Gott oder der Imagination in ihr eigenes Prinzipium aufzuheben. Allein, eben dieses Vermögen, sich von der göttlichen Vereinigung loszureißen, vertrat bei ihnen die Stelle jener Prüfung, der sie Gott um deswillen unterwerfen musste, um ihnen Gelegenheit zu verschaffen, ihre Seligkeit nicht bloß auf eine mechanische Weise, sondern als die Folge einer kleinen Verlängerung ihrer selbst besitzen zu mögen, welche Gott den Tribut ihrer Unterwürfigkeit notwenig von ihnen fordern musste. O der unaussprechlichen Güte, Weisheit und Liebe unseres Gottes! Um den Erstlingen der Schöpfung die Schätze seiner eigenen Seligkeit als Belohnung oder als Dinge, worauf sie sich durch den guten Gebrauch ihrer Freiheit gleichsam einiges Recht erworben hätten, zuteilen zu können, setzet sich Gott selber auf`s Spiel, leget sich selbst in die eine Wagschale, ER, dessen mindester Wink Millionen Planetensysteme wieder vernichten, wieder in den Ort ihrer Entstehung zurück versetzen kann.
Und was glaubet ihr wohl, teure Brüder? Sollte es wohl ein so rasendes, so stockblindes Geschöpf jemals gegeben haben, das seinen Gott, seinen Urheber, seinen Vater, seinen Bräutigam, ja sein Alles zu verlängern kühn genug gewesen wäre? O, der demütigenden, der traurigen Wahrheit, die uns diese Frage zu bejahen zwinget! Ja, Brüder, es war eine so unselige Zeit, welche ein so tollkühnes Wesen gebar. Luzifer, der Sohn der Morgenröte, war es, der mit seinen ihm untergeordneten Legionen das schreckliche Unglück hatte, der gedachten Prüfung zu unterliegen und das Opfer einer beinahe unbegreiflichen Raserei zu werden. Denn dieser unselige Geist, welchen doch Gott mit einem vorzüglich großen Maße seines Lichtes begabte, so zwar, dass ihn die Schrift vor allen übrigen Thronfürsten der Engelwelt mit dem herrlichen Namen des göttlichen Lichtträgers (Luzifer) belegte, ließ sich von dem Kitzel seiner Eigenliebe, Schönheit und Selbstgefälligkeit in einem so hohen Grade verblenden, dass er sich von Gott unabhängig zu machen strebte, die in ihm wohnende Einheit des Geistes verließ, nach der göttlichen Magie des Ungrundes lüsterte, und mutwilliger Weise aus seiner Sphäre ausging, um sich über den Thron der Gottheit zu erheben. Aber was war die Folge dieses mehr als unsinnigen Vorhabens? --- Der Geist des Wortes als das Band der Lebensprinzipien trat in den Schoß des unzugänglichen göttlichen Dunkels zurück und ließ sich dieses undankbare rebellische Geschöpf seinem eigenen Feuergrunde über, welcher augenblicklich seine Rechte ausübte, indem er die himmlischen Lichtwasser mit seiner angebornen Wut verschlang, sie in die Bande der Finsternis einschloss und dadurch den glänzendsten Licht-Engel in den hässlichsten Teufel verwandelte. Seine zuvor vom Licht überherrschte Feuerseele wurde nun offenbar, die Finsternis bemächtigte sich aller seiner Lebenskräfte, und versetzte ihn überhaupt in einen so erbärmlichen Zustand, der von keiner sterblichen Hand nur von weitem beschrieben, ja von keinem endlichen Geschöpfe begriffen werden kann.
Das Schicksal Luzifer`s erstreckte sich notwendig auch auf seine ihm untergeordneten Legionen; denn weil in ihm der Kanal, das Vehikel verstopfet wurde, wodurch der ganzen Hierarchie Licht und Leben zufloss, so mussten sie notwendig mit ihrem Thronfürsten einerlei Schicksal haben. Er fiel daher in Gesellschaft aller seiner Legionen wie der Blitz vom Himmel, das ist: der Lichthimmel, welcher in seinem ganzen Wesen offenbar war, wirklich augenblicklich in ihm, weil er den Geist des Lebens verlor und versetzte ihn dadurch in die Hölle, welche zuvor vom Himmel verschlungen gehalten wurde. Ja, sein Fall erstreckte sich auch sogar über das heilige Element oder den äußern Himmel, welcher den ihm zur Wohnung angewiesenen Raum als das Nahrungsmittel der innern Lichtwelt erfüllte. Wie nämlich alles Kreaturleben sowohl in der Geister- als Körperwelt aus Feuer und Licht bestehet, welche vom Geiste belebet werden, so ist auch das Element, worin die Geschöpfe, jedes auf seine Art, atmen, ebenfalls eine Mischung von Feuer und Licht, die aber in Luzifer`s Hierarchie, wie in der ganzen Engelwelt, im völligsten Gleichgewichte stand, folglich keines vom andern überherrscht wurde, sondern sich wechselweise in der größten Harmonie zu genießen gaben. Diese wohltätige Temperatur sowohl in als außer dem Geschöpfe nennet die Schrift den Himmel, die Trennung des Gleichgewichtes hingegen, wie gesagt, die Hölle.
Luzifer war also das erste unselige Geschöpf, welches die Hölle offenbar machte. Vor seinem Falle war sie in dem Innersten der Schöpfung ungefähr wie die Nacht im Tage verborgen, folglich unwirksam und tot. Man nehme z.B. die Sonne aus unserem Planetensysteme hinweg, so wird sich die Finsternis augenblicklich offenbaren, und nun Gott dem Lichte die Herrschaft behaupten. Weil daher Luzifer sowohl in als außer sich die Temperatur der Lebensprinzipien verloren hatte, und sich nun in der Hölle befand, so konnte ihn auch der äußere Himmel nicht mehr beherbergen, ohne von ihm vergiftet und in ähnliche Disharmonie versetzet zu werden. Luzifer`s entzündeter Feuerhunger vertrat also die Stelle eines tödlichen Ferments, (Gärungsstoffes) das in die Schöpfung des heiligen Elementes eindrang, die Feuerkraft desselben verstärkte und endlich nach aufgehobener Temperatur auch von Außen jene Zerrüttung verbreitet, die bereits in seinem Innern tobte. Der verborgene Feuergrund des heiligen Elementes fing nämlich an, über die himmlischen Lichtwasser zu herrschen; alles kam in tötende Verwirrung, und der ganze, von Luzifer`s Legionen bewohnte Raum geriet gleichsam in Flammen und stellte eine brennende Sphäre von ungeheurer Größe vor. Während diesem schrecklichen Brande fing die erste der drei Urkräfte an, das Übergewicht zu erlangen; sie verdickte daher die brennende Feuerkugel in einem unermesslichen chaotischen Dampf, welcher sich in einem dicken Nebel verwandelte, und endlich zu einem dicktrüben schlammigen Wasser wurde. Die anziehende Grundkraft würde auch gewiss noch weiter gewirkt und die ganze Masse zuletzt samt ihren unzähligen Bewohnern in die härtesten Coagulationsbande tartarisieret und verschlossen haben, wenn nicht die erbarmende Liebe Gottes in Jehova zu Hilfe geeilet und die verdichtende Urkraft nicht weiter, als bis zum Grade des Wassers hätte wirken lassen. Diese fast unermessliche Wasserkugel voll Widerwärtigkeit und Zerrüttung war demnach das traurige Resultat von Luzifer`s erschlichener Gottheit, die ihm nun nicht einmal mehr zur Wohnung dienen konnte, weil er sich nur in der getrennten Feuerskraft festgesetzt hatte. Eben diese form- und gestaltlose Wassermasse ist auch jenes Chaos, von welchem Moses die Schöpfungsgeschichte unseres Planetensystems anfängt, das Gott aus diesem verworrenen Mengelklumpen in sechs Tagewerken so prachtvoll heraus geführt hat.
Durch die Entzündung des heiligen Elementes ging in der Substanz des Feuers und Lichtes eine wesentliche Umgestaltung vor . Das Licht entartete nämlich zum Teil in materielles, unschmackhaftes Wasser, und das Feuer in finstere, greifbare Erde, welche zuvor beide nur dem Vermögen nach (in potentis) in dem reinen Element vorhanden waren. Das mosaische Chaos war demnach eine Mischung von Wasser, Erde, Feuer und Licht. Jene mussten dem Feuer und Lichte zur körperlichen Unterlage dienen und waren also leidender, so wie Feuer und Licht wirkender Stoff, jedoch nur in Absicht auf diese irdische Schöpfung. Gott hatte nämlich in seinem ewigen Rate beschlossen, aus den Trümmern dieser, von Luzifer zerrütteten Sphäre eine neue Art von Planetensystem zu schaffen, um diesen öden und unfruchtbar gewordenen Teil des Ganzen mit andern Kreaturen zu bevölkern und dadurch den erledigten Thron des gefallenen Engels wieder zu besetzen. Zu dem Ende sandte er den Geist seines Mundes, welcher über dem chaotischen Gewässer schwebte und solches zu der folgenden Scheidung zubereitete. Die göttliche Art zu wirken ist, wie gesagt: sprechen. Auf das majestätsvolle Kraftwort: "Es werde Licht!" Entstand daher sogleich eine Scheidung des allerfeinsten, noch unverdorbenen Naturlichtes, das vermöge seiner subtilen, flüchtig-ätherischen Eigenschaft die oberste oder eigentlich die innerste Stelle einnahm, und folglich die über der Tiefe ruhende Finsternis zum größten Teile verließ. Dieses war die Arbeit des ersten Tagewerkes.
Weil aber das Licht bestimmt war, in die, aus der Trennung des reinen Elementes entstandenen vier körperlichen Elemente einzufließen und ihre widerwärtigen Eigenschaften nicht nur zu mäßigen, sondern auch in seine eigene Temperatur oder Quint-Essenz zu versetzen; so schuf Gott die Feste als eine Scheidewand zwischen den obern Wassern und dem untern degenerierten Lichte, oder den Wassern unter der Feste und nannte diese Scheidewand Himmel.
Hierauf sammelte er am dritten Tage die unteren Wasser im Meere zusammen, damit das degenerierte Feuer und die Erde erschiene, die er durch den Einfluss der obern Lichtwasser befruchtete, und zu Hervorbringung sich selbst besamender Vegetabilien fähig machte. Am vierten Tage sammelte er die oberen Wasser aus ihrer Zerstreuung in leuchtende Planeten zusammen, und besonders schuf er Sonne und Mond, denen er durch ihren rechtmäßigen Umlauf Tag und Nacht nebst den vier Jahreszeiten zu regieren befahl.
Am fünften Tage erfüllte er Erde, Luft und Meere mit unzähligen Arten belebter und sich selbst fortpflanzender Tiere und Insekten, welche er den Einflüssen der Gestirne und den Wirkungen des Weltgeistes unterwarf, als welcher eine Ausgeburt des Gestirns und die Lebensquelle der ganzen tierischen Natur ist. Endlich erschien der sechste Tag, welcher zur Hervorbringung desjenigen Geschöpfes bestimmt war, das die Stelle des gefallenen Engels einnehmen und mit einer ganz neuen Wesengattung, von der sich in den Räumen der Geisterwelt noch kein Beispiel fand, erfüllen und bevölkern sollte. Die Wichtigkeit dieser letzten Handlung war auch selbst in den Augen Gottes so groß, dass sich der Schöpfer durch eine kleine Sammlung seiner Allwirksamkeit gleichsam dazu vorbereitete, und in dem Innersten seiner göttlichen Dreieinheit in die geheimnisvollen Worte ausbrach: "Kommet! Lasset uns nach allen den großen Anstalten, die wir in den vorigen fünf Tagewerken bereits getroffen haben, nun auch Menschen schaffen, die uns ähnlich sind; die unser Bildnis an sich tragen; die lebendige Abdrücke alles dessen seien, was wir selbst in dem Innersten unserer Gottheit sind!" ---
So ratschlagte der Dreieinige mit sich selbst und bildete hierauf dieses wichtige Geschöpf, den Menschen, der für die Chöre der übrigen Engelwelten zum Schauspiele, dem Satan zum Gegenstande des bittersten Neides, und sich selbst zur nie versiegenden Quelle unnennbarer Seligkeit bestimmt war. Seinen Leib nahm er aus der Quint-Essenz der neuen Schöpfung, seine Seele aus der ewigen Natur und seinen Geist aus der göttlichen Lebensquelle selbst, die er ihm durch einen belebenden Hauch mitteilte und ihn dadurch zu einem dreieinigen Wesen beseelte, das folglich im strengsten Sinne ein lebendiges Bild seiner eigenen Gottheit war.
Wie irgend ein weiser Baumeister die für seinen Liebling bestimmte Wohnung zuerst erbauet, und sie alsdann auf`s Beste ausschmückt und ziert; so verfuhr auch der göttliche Urheber der Menschen. Er stieß den Lügner von Anbeginn in die selbst gewählte Finsternis hinaus, brachte sodann die Bruchstücke seines zerrütteten Wohnhauses in Ordnung und setzte hierauf den menschlichen Stammvater zum Haushälter darein. Er behielt zwar die Trennung des reinen Elementes in die vier körperlichen Elementar-Eigenschaften bei; hatte aber das von der Finsternis geschiedene Naturlicht zum Friedensstifter und Besänftigungsmittel gesetzt, so zwar, dass die unter dieser Trennung zu leben bestimmten Geschöpfe die Folgen des gegenwärtigen Elementarstreites kaum jemals gefühlt haben würden, wenn sie sich der Herrschaft dieses Lichtes vollkommen unterworfen, und die Widerwärtigkeiten des getrennten Elementes nicht durch den Fall Adams neuerdings das Übergewicht erlanget hätten. Ja, damit das reine Naturlicht in seiner ganzen Stärke auf die ihm untergeordneten Geschöpfe wirken möchte, hat es Gott sogar in eine ungeheure Lichtkugel zusammengedrängt, und in diesen die achte Zahl eröffnet, wodurch sogar das weit geistlichere Licht der innern Welt auf die äußere Schöpfung wirken konnte; denn die Sonne ist ein offener Punkt der innern Lichtwelt, mittelst welchem der allbelebende Geist des Wortes durch das äußere Naturlicht hindurch scheinet, und sich also den Geschöpfen dieser äußern Welt ebenfalls, jedoch in Verbindung mit dem gröbern Naturlichte und durch den Mediator des Weltgeistes zu genießen gibt. Der Mond ist ein anderes wohltätiges Gestirn, lichtwässriger Natur, und verhält sich gegen die Sonne, wie ein Eheweib zu ihrem Manne, denn die Sonne ist der Vater und der Mond die Mutter jenes allgemeinen Weltgeistes, der, wie das reine heilige Element der innern Welt ebenfalls aus Feuer und Licht bestehet, und die ganze äußere Schöpfung belebt und beherrscht. Die übrigen Planeten, welche Gott zugleich aus dem Chaos formierte, sind bestimmt, diesen Weltgeist durch ihre spezifischen Einflüsse mit gewissen Signaturen zu beprägen, worin die Ursache von der unendlichen Verschiedenheit der Geschöpfe eigentlich liegt. Diesen Weltgeist selbst als den allgemeinen Erzeuger und Beweger aller materiellen Wesen hat Gott unmittelbar an die Sonne geheftet, in welcher er seine Wurzel, seine vorzüglichste Entstehungsquelle hat, und von wo aus der Geist des Wortes mittelst diesem Weltgeiste, wie gesagt, in dem mechanischen Teile der Schöpfung eben so wesentlichen Einfluss hat, als mittelst dem Passivo der Weisheit in die menschliche Seele. Aber lasset uns wieder zu unsern so eben aus der Hand des Allvaters hervorgekommenen Adam zurückkehren.
Es ist angenehm, es entzückt, wenn wir so die prachtvolle Ordnung der äußern Natur betrachten. Aber, was ist doch das alles gegen dem, was wir an Adam erblicken? Welche Feder wird die Schönheit, den Adel, die Harmonie und Vortrefflichkeit des ersten Menschen schildern können, die er aus der Hand seines Schöpfers empfing? Gerne, liebste Brüder, wollten wir es wagen, einige Züge von dem, was uns der höchste Baumeister davon in seinem Lichte erblicken ließ, hier einzurücken; aber ach! die Plumpheit der äußern Sprache, und außerdem auch die Furcht, euerer Kindheit all zu starke Speise vorlegen zu müssen, sollte uns billig die Freude untersagen, euch mit der fast unbegreiflichen Seligkeit Adam`s näher bekannt zu machen. Indessen sind wir andererseits doch nicht fähig, um der obigen Beweggründe halber das Wonnegefühl in unserem Busen zu ersticken, das uns jederzeit so unwiderstehlich dahin reißet, wenn wir unsern Kindern und Söhnen den ursprünglichen Adel der Menschheit in seinem wahren Lichte zu zeigen Gelegenheit haben. Kommet und sehet also, o ihr, unsere Busenfreunde, ihr Lieblinge, Ihr Schoßkinder eurer Väter! Kommet und sehet --- das war einst Adam und --- das ist er nun.
Sollen wir sagen: Adam war ein Gott? Das ist ja freilich sehr viel gesagt; aber dem ungeachtet ist es im vollkommensten Sinne wahr. Nicht bloß Engel, nicht irgend ein Geschöpf der inneren Lichtwelt, nein, Geliebte! er war noch mehr als dieses, nämlich eine zweite, nur dem Dreieinigen untergeordnete Gottheit. Der Zweck seines Daseins, seine Würde, sein Adel, seine Bestimmung waren vollkommen und erhaben, dass er alle bisher geschaffene Geister übertraf; denn diese zwei letzteren bewohnen nur die zwei inneren Schöpfungs-Sphären, nämlich die Feuer- und Lichtwelt; Adam hingegen war ein Zusammenfluss des Ganzen, war Bewohner einer dreifachen Welt und folglich auch da gegenwärtig, wo andere selige Geister ausgeschlossen sind, und nur aus Ehrfurcht gebückt hinein zu sehen gelüsten. --- Wir haben nämlich gesehen, dass, um Geschöpfe hervorzubringen, Gott in der ewigen Natur widerwärtige Eigenschaften erwecken musste, um ein von dem Seinigen unterschiedenes Kreaturleben zu formieren. Nun macht die Sphäre dieser widerwärtigen Lebenskräfte, dieser im Viereck sich befindliche feurige Triangel eine eigene für sich bestehende Welt aus, welche die finstere Feuerwelt heißet; weil sie ohne das vom Geist bewohnte Licht dicke Finsternis und nagendes, verzehrendes Feuer ist. Diese Welt, welche den Grund der Hölle ausmachet, und im Innersten aller Geschöpfe vorhanden ist, hatte vor dem Falle Luzifer`s keine Bewohner, sondern war nur die notwendige Unterlage einer andern Welt, welche das Lichtreich heißet, weil in solcher die finstern Feuerkräfte vom Lichte verschlungen und von dem Oele der göttlichen Sanftmut tingiert waren. Die Lichtwelt nun war die eigentliche Wohnung aller Engel und Geister und zugleich der Thron des göttlichen Geistes, welcher demnach auf den Grund der Hölle gebauet worden; denn ohne die Kräfte der Feuerwelt wären weder Geschöpfe möglich gewesen, noch würde das Licht selbst bis zu dem Glanze der göttlichen Majestät haben erhöhet werden können; wie wir z.B. sehen, dass ohne die brennenden und verzehrenden Feuerkräfte auch kein irdisches Licht weder erscheinen, noch in seinem vollen Glanze strahlen kann.
Außer diesen zwei Welten war in Adam auch die dritte, nämlich diese äußere, sichtbare Welt, vereinigt, indem nicht nur sein ätherischer Leib aus der Quint-Essenz der Erde bereitet worden, sondern auch selbst der göttliche Hauch, wodurch ihm Gott Leben und Bewegung erteilte, ein dreifaches, an allen drei Welten teilnehmendes Wesen war. Dieser göttliche Odem des Lebens bestand nämlich nicht sowohl aus dem unsterblichen Feuer- und Lichtgeiste der beiden innern Welten, sondern auch zugleich aus dem Geiste dieser äußern Welt; jedoch alles in der größten Ordnung und Harmonie, so zwar, dass der Feuer- und Weltgeist dem Geiste des Lichtreiches untergeordnet waren, mittelst welchem sie auch mit dem Geiste des Wortes wesentliche Gemeinschaft hatten. Wie edel, wie erhaben, wie göttlich war demnach der innere und äußere Zustand dieses mehr denn seligen Geschöpfes! Es war in allen drei Welten gegenwärtig, wie Gott, wohnte jedoch nur in der englischen Lichtwelt, ebenfalls wie Gott. Auch war Adam, freilich nur im Kleinen, aber eben so wesentlich dreieinfach, wie Gott. Noch mehr! Er besaß sogar eine dreifache Dreieinigkeit; denn die obigen drei Welten sind, wie ihre sieben Lebenskräfte, eine in der andern, und ihr aller innerstes Zentrum ist Gott, in welchem sie als in der geheiligten Zehnzahl, ewig verschlungen zu werden, bestimmt waren.
Die Gottheit Adam`s zeigte sich noch von einer andern Seite in ihrem glänzendsten Lichte. Er war nämlich ein aus sich selbst gebärendes Wesen, wie Gott; denn er besaß beide Generationskräfte, die männliche und weibliche, die wir künftig mit dem Ausdrucke „Feuer- und Licht-Tinktur“ belegen wollen. Gott schuf ihn nämlich, ein Männlein und ein Fräulein; das heißt: er verlieh dem Adam beide Fortpflanzungskräfte und bildete ihn also zu einer wahren männlichen Jungfrau. In diesem Zustande sollte er magisch gebären, das ist: durch die imaginative Anziehungskraft und keusche Entzündung im Geiste des Wortes, das er im Innersten trug, sollte die Vereinigung der Feuer- und Licht-Tinktur zur Fortpflanzung seines Geschlechtes geschehen, wobei keine tierischen Organe, keine animalischen Zeugungsgefäße nötig waren, maßen (=weil) der durch diese himmlische Umarmung erzeugte Embrio unmittelbar und in seiner ganzen Vollkommenheit ans Licht getreten wäre, ohne die vielen Entwicklungsstufen durchgegangen zu sein, welche jede tierische Geburt bis zu ihrer völligen Ausbildung durchlaufen muss. Kurz! Adam hätte nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Willen des Fleisches, sondern in, durch und aus Gott selbst, eine unzählbare Nachkommenschaft erzeugen sollen. Er war überhaupt wie die Engel und seligen Geister, welche weder freien, noch um der Fortpflanzung willen zur Ehe ausgegeben werden, sondern in Sophiens, dieser allgemeinen Mutter, die droben ist, keuscher Umarmung fruchtbar sind, und sich auf eine magische, übersinnliche Weise fortpflanzen.
Und was sollen wir endlich von der äußerlichen Gottheit Adam`s sagen? Wie der Allvermögenheit des Unendlichen alles Geschaffene unterworfen ist und von seinen Befehlen abhängt, so waren auch dem Adam alle Sphären der äußern Welt untertan, und er herrschte uneingeschränkt über alles, was Gott aus den degenerierten Elementen des Chaos geschieden und hervorgebracht hatte; denn eben, um ihm diese Herrschaft im vollsten Maße zu erteilen, schuf ihn Gott aus der reinsten Quint-Essenz der ganzen äußern Schöpfung, weil außer diesem unschätzbaren Vorzug solche Herrschaft nicht bestand haltend, ja nicht einmal möglich gewesen wäre. Die Einflüsse des inneren Lichtreiches kamen ihm dabei zu Hilfe, und weil er das magische Sehen besaß, so hatte er die untrüglichste Erkenntnis von den Eigenschaften und Signaturen aller Dinge, nach welchen er ihnen auch ihre angemessenen Benennungen gab. Die animalische Natur war zwar außer ihm bereits in unzähligen Tieren offenbar; allein seine eigene Animalität war nur der Vermögenheit nach in ihm vorhanden, und in der Licht-Temperatur im tiefsten verborgen: woraus denn folget, dass ihm der einzige Weg der Imagination übrig war, zu sündigen, das heißt, aus seiner Abhängung von Gott auszugehen, und seinem Geiste untreu zu werden, maßen (=weil)seine Zeugungskräfte noch nicht getrennt waren, und er folglich noch keine äußerliche Gehilfin hatte, mit welcher er, wie Einige behaupten wollen, auf eine körperliche Weise und nach der Art der Tiere sich hätte vermischen können. Darnach lüstern oder darein imaginieren, war alles, was er konnte, und welches denn Gott auch, leider! nötigte, durch Absonderung der Lichtkraft ihm die verlangte Gehilfin zu geben.
In Ansehung der übrigen Teile der Animalität bedurfte er ebenfalls keiner tierischen Werkzeuge weder zur Verdauung genossener Speisen, noch zur Absonderung der betrogenen Teile. Er genoß zwar von allem; aber immer nur paradiesische Frucht und mit paradiesischem Munde, in welchem zugleich der Mittelpunkt der Scheidungskräfte war, mittelst welchen die genossenen Dinge zwar geschmeckt, aber auch sogleich unter der sanftesten Empfindung aufgelöset und jedes in sein eigenes Reich zurück versetzet wurde. Wozu wären auch der tierische Magen und Gedärme, nebst den anderen Absonderungswerkzeugen dienlich gewesen, da nicht nur noch kein offenbarer Fluch vorhanden war, sondern auch der Adamische Nahrungstrieb nur auf paradiesische Kraftwesen, das ist auf Dinge, die sich in der vollkommensten Licht-Temperatur befanden, folglich unzerstörlich waren, gerichtet sein konnte? Was ferner die Vollkommenheit seiner äußern und innern Sinne betrifft, diese ist über allen damaligen Begriff des unter dem Fluche liegenden Menschen erhaben; denn weil die Gegenstände, die Objekte dieser Sinne, teils göttlich, teils paradiesisch waren, so mussten auch notwendig die Sinne, welche durch sie gerührt werden sollten, eine damit übereinkommende Fassungskraft und Empfänglichkeit haben. Wer sind aber die Menschen, liebste Brüder! daß sie von einer Sache sollten Rechenschaft geben können, die für sie in einem noch höhern Grade verloren gegangen ist, als für den unglücklichen Stammvater derselben? Wie sollten blinde Maulwürfe vom Sonnenglanze reden, und in der Finsternis erzeugte Wesen die Majestät des wohltätigen Lichtstrahles erklären können? ---
Es war ein Teil der Adamischen Gottheit, dass ihm die Elemente der äußern Welt gänzlich zu Gebote standen. Sein Körper hatte die plumpe Schwerkraft nicht, wie unser Körper, war nicht an den trägen Klumpen geheftet, der uns so manchen Schweißtropfen auspresset; daher bewegte er sich durch Luft und Wasser ohne Bemühung, ja drang selbst in die tiefsten Eingeweide der Erde, um seinen Geist an ihren mannigfaltigen Schätzen zu belustigen. Seine äußere Volubilität glich der Schnellheit seiner Gedanken, und sein Wille war für die Elemente sowohl, als auch für die aus ihnen zusammen gesetzten Geschöpfe unverbrüchliches Gesetz; sie selbst aber waren unfähig, ihn schädliche Eindrücke zuzusenden, maßen (=weil) er in einem unzerstörlichen Zustande geschaffen war, Penetrabilität (Durchdringbarkeit) besaß, und überhaupt von nichts, das außer ihm war, weder gerührt, noch beschädiget werden konnte. Das physische Übel mit seinem zahllosen Gefolge war ihm also völlig unbekannt, und das moralische Übel zu verhüten, stand ebenfalls in seiner Gewalt. --- Er war keinen körperlichen Bedürfnissen unterworfen; hatte an nichts einigen Mangel; war sogar nackend, ohne es zu wissen, indem er ganz mit Lichte bekleidet war, das aus seinem Innern heraus glänzte und seine ganze Atmosphäre mit Licht und Liebe erfüllte, wie uns die Verklärung Jesu auf dem Berge Tabor hiervon ein Beispiel gab. Seine inneren und äußern Seelenkräfte waren auch keiner Erschöpfung fähig, wie die Kräfte unserer dermaligen Leiber, die wir in einem, dem Tode ähnlichen Zustande, nämlich im Schlafe wieder sammeln müssen. Das Gestirn bildete zwar durch seinen Umlauf Tag und Nacht; allein beide waren für den über alle Veränderungen der äußeren Natur erhabenen Adam Eins; denn er selbst war sich Sonne und Mond, besaß selbst jenes Licht wesentlich in sich, welches denen, unter der Herrschaft des Weltgeistes lebenden Geschöpfen auswendig leuchtete; ja trug sogar den reinsten Auszug oder das Fünftelwesen aller äußern Gestirne in sich. Licht war von außen sein Gewand, und innerlich strömten wieder andere Modifikationen des Lichtprinzipiums durch die Kanäle seines ätherischen Leibes, welche das bloße Auge in seinen verschiedenen Wendungen beobachten konnte, nachdem sowohl die Kanäle selbst, als auch der Adamische Körperbau die reinste Diaphanität (Durchsichtigkeit) besaß.
Aber wann sollten wir fertig werden, alle die großen, unaussprechlichen Vorzüge herzuzählen, welche der höchste Baumeister in seinem Adamischen Bilde vereiniget hatte? Wir haben bereits viel gesagt, aber wie wenig ist es noch gegen dem, was nicht gesagt ist. Denn, noch haben wir nichts erwähnt von seinen Geistesfähigkeiten, seiner magischen Erkenntnisweise, seinem erhabenen Verstande, seinen unbegrenzten Einsichten in das Wesen der Dinge; nichts von seinem vertrauten Umgange mit Gott und der innern Geisterwelt, von seiner Wachstumsfähigkeit am göttlichen Leben; und überhaupt nichts von der Anlage zu jener unnennbaren Seligkeit, Wonne und Gottesfülle, welche erst alsdann seiner warteten, wenn er durch den guten Gebrauch der Freiheit seinem Gotte das ihm gebührende Homagium (Huldigung) würde erstartet haben. Allein welcher Sterbliche darf sich wohl je erkühnen, sich zur Beschreibung dieser Gegenstände fähig zu glauben, ohne Gott selbst, oder doch wenigstens Adam zu sein? ---
Um endlich Adam`s Gottheit vollzählig zu machen, verlieh ihm Gott auch die unbeschränkteste Freiheit des Willens, wie er sie einst dem gefallenen Thronfürsten verlieh. Dieses Vorrecht, welches ihn demnach den erhabensten Geistern der innern Welt ähnlich machte, sollte ihm Gelegenheit verschaffen, die mannigfaltigen Schätze von Seligkeit, die er genoß und genießen sollte, nicht bloß als ein mechanisches Geschenk, sondern vielmehr als eine Belohnung seiner wechselseitigen Liebe und Treue aus der Hand seines Urhebers zu empfangen. Hierzu war Prüfung nötig, um zu sehen, ob Adam in der himmlischen Sphäre, worin er geschaffen war, aus freier Liebe zu Gott verharren und sich also seiner Glückseligkeit würdig machen würde oder nicht. Das göttliche Licht hatte sie sämtlich in sich zu einem frohen Liebesspiel vereinigt. Die finstere Feuerwelt erfreute sich in der himmlischen Lichtwelt, und diese wieder in der äußern Welt als ihrer Offenbarung nach außen. So war Adam der Schauplatz eines dreifachen Grundtriebes, der aber mittelst dem Lichte in der vollkommensten Einigkeit stand. Allein außer ihm fand sich diese Sichtseinigkeit in keinem so hohen Grade: denn sowohl die Feuerwelt, als auch die äußere Schöpfung waren bereits vom Lichtreiche abgebrochen und hatten sich in ihrem Eigentume festgesetzt, obwohl die äußere Welt noch einigermaßen von dem innern Lichtreiche beherrschet und in Schranken gehalten wurde. Eben daher sollte die Adamische Freiheit geprüfet werden, in welche von diesen drei Welten sie mit ihrer Imagination eingehen würde.
Der Garten von Eden wurde zu dieser Prüfung bestimmt, ein Ort unseres Planetens, wo Gott das himmlische Element der innern Welt durch die Erde ausgrünen ließ, um für Adam paradiesische Früchte zu tragen. Die Prüfung selbst war dreifach; denn eine jede der drei Welten bekam gleichsam Erlaubnis, Versuche zur Besiegung der übrigen beiden auf den Adam zu machen. Hinzu kam noch der Neid und die Schadenfreude des gefallenen Engels, welcher alle seine Kunstgriffe anwendete, um den Adam in sein eigenes Schicksal zu verflechten, und dem Reiche der Finsternis den Ausschlag zu verschaffen. Indessen konnte er doch von Seiten der finstern Feuerwelt, die ihm, als ihrem Bewohner, allein den freien Zutritt verschaffte, nichts ausrichten, weil Adam zu sehr verschanzt und mit einer zweifachen Brustwehre, nämlich von dem äußern und innern Lichte umgeben war, wodurch er alle Versuche, die Feuerkräfte empor zu heben, vereitelte. Er ließ daher seinen ersten Vorsatz fahren, und trachtete nun den Adam doch wenigstens für die Reize der äußern Welt empfänglich zu machen, und ihn also auf eine andere Art um seine Glückseligkeit zu bringen. Er erhitzte daher seine Imagination, zeigte ihm, wie dort unserm Herrn in der Wüste, alle Reiche, Schönheiten und Zaubereien der Welt; schilderte ihm die Wollust ab, gut und böse zu verstehen; machte ihn nach einem Bilde seines Gleichen lüstern, um sich gleich denen unter dem Weltgeiste lebenden Tieren fortzupflanzen, kurz! er nahm alles zu Hilfe, was die Schrift unter der Augenlust, Fleischeslust und hoffärtigem Wesen begreifet, um den Sieg davon zu tragen. Und leider! war seine teuflische Bemühung nicht vergebens; denn er hatte die schwache Seite Adam`s getroffen, welcher, in diesem Netze gefangen, seine Harmonie mit dem Reiche des Lichtes und mit dieser seine ganze Gottheit verlor. Denn sobald er in diese Lockspeise imagurierte war seine Begierde, sein Willen, seine magische Darstellungskraft gefesselt und zur Sklavin desjenigen Gegenstandes, welchem er seine Liebe als Richtung des Willens, zugewendet hatte.
Dieses war Adams erste Vergehung, von welcher der Verlust der magischen Fortpflanzung die notwendige Folge war. Denn sobald er seine Freiheit so sehr missbrauchte, dass er sich zur Imagination in die tierische Natur hinreißen ließ, konnte die Zeugung aus Gott, welcher auf seine Ehre so eifersüchtig ist, unmöglich mehr stattfinden. Sobald auch Gott sah, dass es mit Adams Verirrung bereits dahin gekommen war, wo es seine Ehre und Heiligkeit nicht mehr zuließ, so genau mit ihm vereinigt zu bleiben, so sprach Er, der anfangs alles, was er gemacht hatte, für sehr gut erklärte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch länger allein sei, weil er sich sonst noch weiter verlieren und meiner Gnade sich noch unwürdiger machen könnte.“ Er ließ ihn daher die erste Folge seines Verbrechens empfinden, indem er ihn in einem tiefen Schlaf versetzte, welcher in dem Stande seiner Unschuld weder wirklich, noch möglich war, und ihn seiner weiblichen Fortpflanzungskraft beraubte. Schon dazumal also verlor er Sophiens himmlische Einwohnung, als ihm Gott eine Gehilfin schuf, mit der er nun seine falsche Lust büßen und auf eine tierische Weise sich fortpflanzen konnte. Sobald er ihrer auch ansichtig wurde, so erkannte er sie für Fleisch von seinem Fleische, zum unwidersprechlichen Beweise, dass ihn Gott, ein Männlein und ein Fräulein, geschaffen, das ist die männlichen und weiblichen Zeugungskräfte in ihm vereinigt hatte.
Es ist wahr, der Zustand des Paradieses war bei Even`s Absonderung vom männlichen Teile noch unverändert, und das physische Übel hatte sein mörderisches Haupt noch nicht emporgehoben; dagegen aber hatte das moralische Übel bereits tiefe Wurzeln geschlagen, maßen (=weil) Adam die falsche Lust auch auf Even fortgepflanzt, wie solches ihre ganze Anlage zur Eitelkeit und Näscherei genugsam verriet. Dieses wusste der Lügengeist wohl; um daher das Maß ihres Unglückes voll zu machen, siegte er vollends durch die List des verschlagensten aller Tiere über die weibliche Schwachheit, welche er bis zum Genusse der verlorenen Frucht zu berücken wusste. Wir wissen es wohl, dass die Meinungen darüber geteilet sind, worin eigentlich der Adamische Fall bestehe. Brüder, die etwas weiter sehen, werden uns indessen wohl verstehen, und der Wahn derjenigen, welche das Verbrechen Adams bloß in eine körperliche Vermischung setzen, schon dadurch als ungegründet erkennen, dass, wenn solche Vermischung auch in der Tat erfolgt wäre, dieselbe nach der Trennung Adams in Mann und Weib doch nimmer ein wirkliches Verbrechen hätte sein können, weil alsdann jener Befehl: „Wachset und mehret euch“ ohnehin auf keine magische Weise mehr hätte geschehen können. Wir halten uns daher genau an die Schrift und erinnern uns noch, dass jener geheimnisvolle Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen erst durch den Missbrauch, welchen Adam schon vor Evens Schöpfung von seiner Geistes-Magie gemacht hatte, entstanden sei. Er selbst war also der Schöpfer desselben. Er selbst verwandelte den in Mitte des Paradieses gepflanzten Lebensbaum in einen Baum des Todes und der Verwirrung; denn Gott konnte unmöglich etwas hervorgebracht haben, das ihn bald darauf nötigte, ein so strenges Verbot darauf zu legen. Alles, was von Seiten Gottes zur Prüfung Adams beitragen konnte, bestand in der ihm anerschaffenen Potenz zur Trennung der Lebensprinzipien, ohne die, wie wir oben gezeigt haben, kein Geschöpf sein kann; weil es sonst in nichts von seinem Schöpfer unterschieden wäre. Indessen, obwohl ohne diese Trennungspotenz keine Kreatur möglich ist, so war doch der Schöpfer bereit, dieselbe auf ewig im Lichte zu bestätigen, wie er dieselbe in Millionen Engeln und seligen Geistern bereits bestätiget hatte, ehe noch Adam geschaffen war. Allein diese Bestätigung im Lichte sollte der Preis für die Treue und Verlängerung sein, welche Adam in seiner Prüfung bewiesen haben würde; wie sie es auch bei allen seligen Einwohnern der Lichtwelt war.
Was die magische Darstellungskraft Adams durch ihre falsche Begierde in seinem Innern geistlich erzeuget hatte, nämlich die Lust, Böse und gut zu kosten, das war in dem Versuchsbaume wesentlich vorhanden. Dieser enthielt das Ferment, den Sauerteig zur Offenbarung Gutes und Böses in sich, weil die Lebensprinzipien in ihm bereits getrennet und aus ihrer Temperatur versetzt waren. Wie also in einem Sauerteige die Kräfte zu säuern schon entwickelt und in ihrer vollen Wirksamkeit sind, um Dingen, mit denen er in Verbindung kommen soll, seine eigenen Kräfte, Temperatur und Bewegung mitteilen zu können; so waren auch in dem Versuchsbaume die Kräfte von Gut und Böse in ihrer Trennung schon enthalten, welche Adam nur durch wirklichen Genuß mit sich selbst in Berührung bringen durfte, um Böse und Gut in der Trennung seiner eigenen Lebensprinzipien, das ist durch seine eigene Erfahrung kennen zu lernen. Gott verbot ihm daher, unter der Strafe des Todes, die Frucht dieses selbsterzeugten Lammes zu genießen. Luzifer hingegen suchte nun nichts weiter, als Even zur Übertretung dieses Gebotes zu verleiten, weil er nach dem Grunde der Feuerwelt deutlich erkannte, dieser Genuß würde den Menschen der Einheit im Lichte vollends berauben, seine Lebenskräfte trennen, und das Bild Gottes in ihm zerstören. Sein Zweck war auch nunmehr um so leichter zu erreichen, nachdem ihm die erste Schwachheit Adams schon so vielen Vorteil verschafft hatte, dass er das Brandmal derselben sogar auf Even fortpflanzte und notwendig fortpflanzen musste. Er brauchte nur noch einem einzigen Sturm zu wagen, um den Sieg zu erhalten. Eva, als die Besitzerin der weiblichen Lichtkräfte, war ohnehin gegen alle Eindrücke empfänglich; seine teuflische Weisheit sagte ihm dieses; er bediente sich daher der Schlange, weil er ohne tierisches Medium keinen Einfluß auf den in der äußern Welt lebenden Menschen hatte, und brachte es endlich durch das schleichende Gift jenes Gespräches, wovon uns Moses noch einige Fragmente aufbewahret hat, dahin, dass Eva von der verführerischen Frucht genoß, und auch den Adam zu dieser tötenden Näscherei verleitete. ---
O wie teuer, liebste Brüder, ist nicht dieser unselige Leckerbissen zu stehen gekommen. Wir können uns nicht entbrechen, zum Andenken dieser tragischen Begebenheit eine mitleidige Träne zu weinen. Unglückliches Paar! Du warst zu einer so erhabenen Stufe von Seligkeitswonne bestimmt; aber ein Augenblick von Schwachheit hat dich überrascht, hat deine schöne Kopfzierde vom Haupte gerissen; hat dich in einen Wirbel von unaussprechlichem Elende versetzet. Deine Vergehung war groß, aber --- würden wir sie kleiner, sie weniger begangen haben, als du? ---
Bei welchem Abgrunde von Zerrüttung und Elende sollen wir unsere Tränen getauchte Feder anfangen lassen, Adams Geschichtsschreiber zu sein? --- Sollen wir von Innen oder Außen zuerst Stoff zu unseren Klageliedern nehmen? Waren Leib, Seele oder Geist mehr verletzt, mehr ihrer Gottheit beraubt und von dem Thron ihres ursprünglichen Adels tiefer herabgestürzt, tiefer gebeugt? --- Ach! der ganze Adam, die ganze Eva waren gleich verwundet. Sahen sich von einerlei Todes- und Höllenstacheln umgeben, und hatten dabei noch die Kränkung, von Gott und dem Teufel verspottet zu werden. „ Sehet doch, hieß es, Adam ist worden als unser Einer!“ --- Der tötende Bissen wirkte zwar nicht augenblicklich. Eva hatte nach dessen Genusse noch Zeit, auch ihren Gatten zu ähnlicher Übertretung zu bereden; allein er wirkte um so gewisser, je mehr dessen Wirkung ihnen Zeit gestattete, ihre ganze Lust daran zu sättigen. Nun aber, unglücklicher Adam! verblendete Eva! nun ist dieser teure Bissen verschlungen: schon schleicht sein Gift in die innersten Wege eures ätherischen Leibes; vermengt sich mit den subtilsten Säften voll paradiesischen Lichtes; teilet ihnen das Ferment zu ihrer Auflösung, zur Trennung ihrer Eigenschaften mit; nagt mit tötendem Zahne an dem Pfeiler des göttlichen Lebens, und ohne es sogleich gewahr zu werden, fängt die tierische Natur an, sich zu entwickeln, sich heraus zu kehren, vom Vermögen zur Wirklichkeit zu gelangen, und das innere Lichtleben dem Reiche des äußern Weltgeistes zu unterwerfen. Arme Eltern einer ganzen, noch in dem Chaos der Zukunft begrabenen Menschheit! Was wird in Kürze aus euch werden? Von innen verlieret euer göttliches Licht seinen strahlenden Glanz. Der belebende Lichtwasserblitz wird von dem überwägendem Feuergrunde zusehends verschlungen. Das Bild Gottes verbleichet. Der Geist des Wortes, welcher euch bisher als König der ganzen Menschheit besaß, zieht sich in dem göttlichen Ungrund zurück. Das magische Sehen verwandelt sich in tierische Kurzsichtigkeit und rauschende Nacht. Euer geistiges Fortpflanzungsvermögen geht in tierischen Erzeugungstrieb voll Schmerz und Schande über, und alle eure Geistesfähigkeiten wandeln sich in stumpfes Sinnengefühl um. Unglücklicher Adam, wo gerätst du hin? Von außen fühlst du nach dem Verluste deines Lichtkleides die Nacktheit eines hässlichen Tierkörpers, dessen du dich um so mehr zu schämen hast, je größer, als bei allen übrigen Tieren sie ist. Die äußern vier Elemente, nachdem du die Temperatur derselben verloren und zerrüttet hast, stürmen ohne Schonung auf dich zu. Hitze, Kälte und alle Widerwärtigkeiten der ganz äußern Natur machen dich zum Teilpunkte ihrer Wut, und Hunger und Durst und alle körperlichen Bedürfnisse der rohesten Tiere sind nunmehr dein Los. Um tierisches Futter zu verdauen und den überall verbreiteten Fluch von dem reinen Teile der Nahrungsmittel abzusondern, besitzest du nun Magen und Gedärme, und um ein dir ähnliches Geschlecht fortzupflanzen, sind dir --- und zwar unter allen tierischen Geschöpfen nur dir allein, mit Scham verknüpfte Werkzeuge gegeben. --- --- Anstatt deinen Körper durch alle Elemente, ohne Widerstand, frei hindurch bewegen zu können, bist du so sehr an der irdischen Last deines Tierkörpers angeheftet, dass dir fast jeder Schritt einen Seufzer abringt, dich einen Schweißtropfen vergießen machet. Vormals war dein ätherischer Leib das reine Fünftelwesen der ganzen Animalität, nun ist er zu einem Tier aller Tiere herabgewürdiget: ja anstatt über alle Tiere zu herrschen bist du nun ihr allgemeiner Sklave. In Zukunft wirst du täglich das Bild deines Todes am innern Geistleben durch den tierischen Schlaf erneuern, und die äußere Sonne, welche zum Glücke für dich noch da ist, wird dir nie untergehen, ohne dich zu deinem immerwährendem Schmerze an den ewigen Tag zu erinnern, der dir vormals geleuchtet hat, Armer, bedauernswürdiger Adam, wo bist du? Wohin hast du dich verirrt? Schon jetzt ist das Maß deines Unglückes so voll; wie? Wenn erst die Gerichte Gottes über dir erwachen? Wenn auch Gott selbst noch Gerechtigkeit an dir ausüben wird? Was sagt dir schon jetzt dein unerbitterliches Gewissen? Und was dürfte es dir vielleicht noch sagen? ---
Wir müssen unserm Kiele mit Gewalt Einhalt tun, um nicht ganz in Wehmut zu zerfließen. Guter, einzig liebenswürdiger Gott! siehe, wie warm unser Busen schlägt, wie häufig unsere Tränen fließen! O wie unaussprechlich war das Elend des gefallenen Menschen! Du selbst nur, o Gott, kennst die ganze Tiefe desselben, weil es beinahe so unendlich ist, wie du. Und doch hat es in jedem Alter der Welt noch fast eben so unendlich zugenommen, als es schon war. Indessen wird es unter den Menschen verkannt, ja was noch mehr ist, auf alle nur ersinnliche Weise beschöniget. Ja die Vernunft hat sogar mittelst ihrer Universitätsweisheit von jeher Mittel gefunden, ihm sogar das Dasein streitig zu machen: so sinnreich ist sie zu ihrem eigenen, unausbleiblichen Verderben. O teure, geliebte Brüder, werdet ihr doch wenigstens von dieser schrecklichen Wahrheit durchdrungen! Vergesset es doch nie, was Adam, euer Vater, einst war, als er seine Tage noch in Eden verlebte und --- was er nun ist! ---
Die göttliche Bedrohung: „welches Tages ihr davon essen werdet, soll der Tod die Folge davon sein.“ Ist also nur zu pünktlich in Erfüllung gegangen. Sie starben wahrhaft, nicht zwar desjenigen Todes, welcher die jetzige Menschheit ihres tierischen Lebens beraubet. --- Ach! dieses hässliche Tier war noch keineswegs in ihnen entwickelt. Sie starben am innern Leben, an der wesentlichen Gemeinschaft mit Gott und fielen dagegen dem äußern Weltreiche anheim, welches Jesus das Reich der Finsternis und der Apostel die vom Luzifer beherrschte Luftregion nennet. Sterben nämlich ist nichts anderes, als Trennung der Lebensprinzipien, von welcher der Tod sodann die notwendige Folge ist. Nun war Adam in das Lichtreich geschaffen. Sein ätherischer Leib war die Behausung der zwei innern Welten und, als der reinste Auszug der Erde, die sich noch in dem Sonnenpunkte des irdischen Naturlichtes befand, standen die Elemente dieses Leibes in der vollkommensten Harmonie, welche ihm von Seite seines Körpers eben die Unsterblichkeit verlieh, die er bereits an seiner Seele besaß. Allein die unselige Näscherei hat sie um beides gebracht, hat beide Bande getrennt. Zuerst starben sie an dem innern Leben aus Gott, und nachdem sie die Folgen ihres Verbrechens lange genug getragen hatten, erfolgte auch der körperliche Tod, als das Erbteil aller Kinder Evens, die von jeher nach dem Fleische gezeugt worden sind. Im strengsten Verstande starben sie also eines dreifachen Todes. Zuerst am innern Lichtreiche, das sich wieder in sein geheiligtes Dunkel zurückzog, und sie in ihrem Eigentume, nämlich in dem lichtleeren Feuergrunde, stehen ließ. Alsdann erfolgte die Auflösung ihres ätherischen Leibes in seine widerwärtigen Bestandteile, mittelst welcher sie nicht nur der Einwirkung des äußern Weltgeistes und der vier Elemente fähig wurden, sondern auch, wie gesagt, das Unglück hatten, sich in dem ganzen Sinne der Worte in ein Tier aller Tiere verwandelt zu sehen, weil ihre Animalität die Sammlung aller tierischen Eigenschaften war. Endlich musste auch dieses Tier wieder sterben, und den Weg alles Fleisches gehen, weil es unmöglich ist, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes, welches Adam durch seine Trennung von der Lichtwelt verlor, weder sehen, noch jemals besitzen können.
Dieses, liebste Brüder, war das traurige Ende des Adamischen Falles. Als Tier war er nun des paradiesischen Lichtlebens nicht mehr fähig, und wurde daher nach seiner Verurteilung nicht nur aus Eden, sondern auch aus dem ganzen Paradiese, das heißt aus der Temperatur des himmlischen Elementes vertrieben. Das Paradies war nämlich eine gewisse Stelle unseres Erdbodens, wo Gott das himmlische Element durch die vier äußern Elemente, als dem Wohnhause der Tiere, durchgrünen ließ, wovon denn auch paradiesische Früchte hervorkeimten, und diesen Ort in einen himmlischen Garten voll Pracht und mancherlei Schönheit verwandelte. Von hier aus hätte sich nach den Absichten Gottes das Paradies in dem Maße, als sich der Mensch magisch fortpflanzen würde, nach und nach über den ganzen Erdboden ausbreiten sollen. Allein unglücklicher Weise machte sich der Mensch durch den Missbrauch seiner Freiheit ebenfalls zum Tiere, und vereitelte dadurch die Absichten seines Urhebers, indem er unfähig wurde, ins Paradies zu zeugen, oder dessen länger zu genießen. Denn auch nach seiner Trennung in Mann und Weib hätte er immer noch ins Paradies zeugen können, wenn er sich nur durch den Genuss der verbotenen Frucht nicht vollends desselben beraubt hätte. Hieraus erhellet, dass Adam eine doppelte Sünde beging. Sein erstes Verbrechen war nämlich die Imagination in die tierische Fortpflanzung, wovon die Absonderung der weiblichen Lichtkraft oder die Bildung Evens die Folge war, und der Genuss der verbotenen Frucht war ein zweites, von jenem unabhängiges Verbrechen, worauf die Entwicklung der tierischen Natur, die Herauskehrung des Fluches und der gänzliche Verlust des Paradieses erfolgten, unerachtet Adam noch keineswegs mit seiner Gehilfin sich körperlich vermischet hatte, weil sonst kein erstgeborner Kain unmöglich brudermörderische Triebe hätte mit sich bringen können, zum unwiderleglichen Beweise, dass er von Adam nicht im Paradiese gezeugt worden sei.
Wir haben bewiesen, dass es lediglich das unabtrennliche Eigentum Gottes sei, was Adam im Falle verlor. Es war Gott selbst, der Geist seines Wortes, der ihn im Lichte wesentlich besaß, der ihn beherrschte, ihn wie seine Braut mit Liebe umfasste, ihm alle seine Güter und Schätze darreichte; kurz! Gott selbst war es, sein Licht, seine Liebe, seine wesentliche Gemeinschaft, worin der Adel und das Leben Adams bestand. Folglich ist und war auch außer diesem Gott kein erschaffenes Wesen, auch der höchste Seraph nicht, fähig, Adams Verlust zu ersetzen; denn auch der Höchste aller seligen Geister ist nur von und aus Gott das, was er ist, und würde daher, wenn er so unglücklich wäre, wie Adam, aus der göttlichen Gemeinschaft auszugehen, ebenfalls nur von Gott selbst seine Wiederherstellung erlangen müssen, weil es unmöglich ist, dass irgend ein endliches Wesen zum Vehikel des Unendlichen dienen kann. Bedenkt es wohl, Brüder, was wir hier sagen, und drücket es tief in euer Gedächtnis. Denn wir haben euch da eine wichtige Wahrheit gesagt, welche allein schon fähig sein kann, alle eure Zweifel von der Gottheit Jesu mit einmal aufzuheben. Wir wiederholen es daher; was Adam besaß, war Gott, und was er im Falle verlor, war ebenfalls Gott, mit dem er durch die Weisheit ebenfalls wesentlich vereiniget war. Gott ist jenes unendliche Seligkeitsmeer, worin alle Engel und Geister mehr oder weniger versenket sind, und in welchem sie allein selig, heilig, gut gerecht, oder mit einem Worte! In welchem sie so lange selbst Götter sind und bleiben, als sie mit ihrer Imagination nicht davon ausgehen. Setzet nun: eine von diesen Gottheiten wäre so unglücklich, die Lebensquelle zu verlassen, oder, bei unserm Gleichnisse zu bleiben, aus dem göttlichen Unendlichkeitsmeere auszugehen, saget, Brüder, ob irgend ein anderes Wesen, das in diesem Meere schwimmt, wohl fähig wäre, dem abtrünnigen Geschöpfe seine Gottheit wieder zu geben? Oder noch deutlicher, sagt: ob es, wenn wir so reden dürfen, selbst in dem Vermögen der Gottheitsvollmacht wäre Kreaturen, welche so eingeschränkt sind, dass sie kaum so viel Gotteswesen fassen können, als zu ihrer eigenen Seligkeit nötig ist, zum Mittel zu brauchen, eine ganze Menschheit wieder mit Licht und Gottesfülle zu tingiren? Nein, Brüder, was nicht hat, noch empfangen kann, kann auch andern nicht erteilen. Der Seraph ist vielleicht das mit der Gottheit erfüllteste Wesen, die Menschheit Jesu ungerechnet, allein er besitzet dem ungeachtet nur ein kreatürliches Maß und ist nur erst ein Sonnenstäubchen gegen die Sonne. Gesetzt auch, es enthalte keine Unmöglichkeit, dass ein Geschöpf so viel empfangen könne, als nötig ist, auch andern mitzuteilen, so kann es doch nie die ganze Gottheit empfangen, welche der Allvater in die gefallene Menschheit einzuführen beschlossen hatte. Dieses reicht über alle Fähigkeit der Kreatur hinaus, und ist nur das Eigentum der Weisheit im Worte, welche mit Gott gleich ewig, gleich unendlich ist, so lange sie noch nicht in Natur und Schöpfung übergegangen ist. ---
Das heißt wohl recht gestammelt, liebe Brüder, aber besehet es wohl, was wir hier gleichsam nur im Vorübergehen gesagt haben; und ihr werdet auch in unserm Stammeln salbungsvolle Wahrheit finden. Vergesset es in den Augenblicken, wo euch wider die Gottheit Jesu Zweifel aufstoßen, nicht, dass nur die, außer Natur und Schöpfung wohnende, mit Gott gleich ewige und unendliche Weisheit des ganzen Gottes empfänglich sei und sein könne. Dies ist eine Wahrheit, die wir eine unumstößliche nennen, fordern auch kühn alle Vernunfthöhen auf, sie zu widerlegen, wo sie anders dazu fähig sind. Das aber die Absicht Gottes war, der getrennten Menschheit seine ganze Gottesfülle mitzuteilen, erhellet teils aus seiner Natur, welche unteilbar ist, folglich in jedem Falle ganz, obwohl gradweise, mitgeteilt werden kann und muß; teils aus dem Bedürfnisse des Menschen, welchen Gott gleich anfangs so gebauet hat, dass er außer Gott schlechterdings mit nichts anderem gesättigt werden kann. ---
Alles das vorausgesetzt, liebe Brüder, wünschen wir wohl, ihr möchtet doch dasjenige Geschöpf bestimmen, welches die gefallene Menschheit hätte erlösen sollen, ohne selbst wahrer, ewig selbstständiger Gott zu sein. Sehet, wie sehr ihr euch auf den Höhen eurer Vernunftweisheit verstiegen habt. Nicht einmal Wahrheiten, welche die bloße Vernunft allenfalls noch erreichen kann, wenn sie von echter Wahrheitsliebe belebt ist, nicht einmal die allerersten Grundbegriffe des Wahren und Guten habt ihr euch eigen gemacht, und seid dennoch so von eurer Alltagsweisheit eingenommen, dass ihr selbst eure Väter und Hirten eines Bessern belehren zu können euch fähig glaubet. Kinder, macht doch eurer Witzeleien ein Ende und bekümmert euch endlich um wahre Weisheit, die ihre Lieblinge nie am echten Erkenntnisse darben lässt, sondern sie vielmehr mit Strömen unnennbarer Wollust selbst in diesem Leben noch tränket.
Aber lasst uns wieder zur Geschichte Adams zurückkehren! Es wäre ihm gewiß ewig unmöglich geblieben, wieder zu seinem verlorenen Erbteile zu gelangen, wenn sich Gott nicht selbst seiner angenommen hätte. Und. O der unbegreiflichen Güte! Schon vor der Adamischen Schöpfung hat dieser überreiche Vater für den etwaigen Missbrauch der menschlichen Freiheit auf eine Art gesorgt, die auch den fühllosesten Geschöpfe Liebe und Freudentränen ablocken muß. Denn, noch ehe der Grund der Erde gelegt war, sind wir in Christo dem Schlangentreter versehen, das heißt: noch ehe Gott das durch Luzifers Fall entstanden: Chaos wieder in Ordnung gebracht hatte, beschloß er, im Falle der Mensch in der Prüfung nicht bestehen würde, dennoch seinen Ratschluss durchzusetzen und den ganzen Schatz seiner Erbarmung und Liebe in und durch den allein selig machenden Namen Jesu wieder in die Menschheit einzuführen. Indem hatte es Gott nach dem Feuergrunde der finstern Welt zum voraus erkannt, dass Adam fallen würde, und daher auch das Wiederbringungsmittel zum voraus bestimmt. O, der grenzenlosen Güte und Liebe unseres Gottes! Wer wird uns den Mund aller geschaffenen Welten geben, um ihn tief genug anbeten, loben, preisen zu können! Wahrlich, Brüder, wenn Gott kein so erhabenes Wiederbringungsmittel in den Schätzen seiner Weisheit zum voraus besessen hätte, so würde er dem Menschen durch dessen Schöpfung auch nie der Gefahr ausgesetzt haben, sich unwiederbringlich elend zu machen.
Gott hat dem Adam noch eine andere Gnade erwiesen, welche der vorigen zur Seite gehen kann. Weil er nämlich vorsah, dass Adam vom Neide des Luzifers die größte Versuchung zu gewarten haben werde, so ließ er in ihm aus dem zerrütteten Chaos einen kleinen Zunder, ein kleines, unwiedergeborenes Teilchen zurück, welches ihm zum Gegengewichte bleuen sollte, wenn ihn der Satan während der Prüfung etwa mehr nach der innern Feuerwelt als dem äußeren Tierleben ziehen möchte; denn so elend das Schicksal der Menschheit durch das letztere auch ward, so würde es doch noch weit unglücklicher geworden sein, wenn Adam nach der innern Feuerwelt wie Luzifer gegriffen hätte. Sehet, geliebte Brüder, auch wenn der Vorsatz, der menschlichen Freiheit in nichts zu nahe zu treten, den Schöpfer nötiget, das Übel geschehen zu lassen, so sucht er es doch zum Voraus auf die liebenswürdigste Weise zu mildern. Wie unaussprechlich elend würde nämlich unser Zustand sein, wenn wir mit Luzifer dem Feuergrund anheim gefallen wären! Wir sind elend, aber wir haben doch einen Heiland, der uns durch den Genuss seines Fleisches und Blutes das verlorne Geistleben, die Lichts-Temperatur wieder mitteilen will. Außerdem leben wir auch noch in einer sehr erträglichen Wohnung. Wir haben die irdische Sonne, welche uns leuchtet, und das äußere Naturlicht, das unsern Seelenhunger doch auf kurze Augenblicke sättigen kann. Die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Erdgewächse, das Tier- und Pflanzenreich, die abwechselnden Jahreszeiten, ja selbst alle vier Elemente haben für uns etwas Wohltätiges, und der allgemeine Weltgeist, wie geschäftig ist nicht dieser, die Sinne mit unzähligen Gaukeleien zu unterhalten? Welch ein unschätzbarer Vorteil liegt nicht für uns allein darin, dass uns Gott durch dieses irdische Leben ein so kurzes und durch so manchen Zucker seiner Gnade versüßtes Mittel dargereicht hat, an der Hand unsers Jesu zur Wiedergeburt hindurch zu dringen? Alles das und noch unendlich mehr, als wir wissen und verstehen, muß Luzifer in seinem finstern Kerker entbehren, und auch wir werden noch dem irdischen Leben gleiches Schicksal haben, wenn wir das Leben Jesu nicht wie uns in die Ewigkeit nehmen, nicht aus Wasser und Geist von oben herab neu geboren sind. Wie gütig hat also Gott für den Adam bei aller seiner, ihm zum voraus bewussten Untreue gesorget? Es ist auch bei der ganzen Geschichte Adams zu sehen, wie merklich dieses Gegengewicht jederzeit bei ihm wirkte; denn Luzifer erkannte bald, dass von Seiten des Feuergrundes nichts auszurichten sei, und lenkte daher seine finstern Kräfte nach außen, wo beide Welten noch gut und böse in der Trennung waren.
Das göttliche Betragen gegen den Adam nach dem Falle ist aus den Büchern Mosis bekannt. Da er sich nämlich um eine ganze Geburt von Gott und seinem Lichte entfernt hatte, und nun in tiefer Trauer für seine Nacktheit flucht, forderte ihn Gott zur Verantwortung auf, verfluchte die Schlange als das unselige Mittel der Verführung, und nachdem er ihm das Urteil seiner Leiden und seines Todes gesprochen hatte, tat er ihm die tröstliche Verheißung: „dass er zwischen dem Weibes- Schlangen-Samen ewige Feindschaft setzen und durch ersteren endlich das ganze Reich des Todes und der Finsternis unterjochen und zerstören würde.“ Das war für den hohnsprechenden Lügengeist eine unerwartete Lektion, denn als Bewohner der finstern Welt hatte er zwar, wie Gott, die Folgen des Adamischen Falles vorgesehen, und sogar aus eigener Erfahrung kennen gelernt; allein nach dem göttlichen Lichtsgrunde, an welchem er noch vor Adams Schöpfung gestorben, war es für ihn unmöglich, auch das göttliche Wiederherstellungsmittel nur einst zu vermuten, um so weniger als vorher zu sehen. Eben der liebreiche Mund, welcher zuvor Fluch und Tod ausgesprochen hatte, sprach nun auch Leben und Seligkeit aus. Die Sprache Gottes ist aber die vollkommenste Wirkung. In dem Augenblicke also, da Gott jene Verheißung aussprach, teilte er sich auch in und durch Jehova dem in Even verblichenen Lichtsgrunde wieder als ein unsterbliches Pfand seiner Verheißung wesentlich mit, jedoch den tierischen Sinnen und dem Verstande unempfindlich, als welche sich nun in einem ganz fremden Lande befanden, wo sie ohne den mystischen sowohl, als körperlichen Tod unmöglich wieder zu ihrem Erbteil gelangen können. Diese Mitteilung widerfuhr nicht dem Feuergrunde Adams, sondern dem in Evens Matrix verblichenen Lichtsgrunde, weil solcher allein für den Geist des belebenden Wortes Empfänglichkeit hatte, und eigentlich die Wohnung desselben sein sollte. Zudem hatte Gott beschlossen, durch eine wahre Menschwerdung seines eingebornen Sohnes das weibliche Lichtwesen wieder zu heiligen und dadurch das göttliche Ebenbild in der ganzen Menschheit wieder herzustellen. Daher trat die Liebe des Vaters abermals aus der göttlichen Dreizahl hervor, und vermählte sich neuerdings mit der verblichenen Lichts-Tinktur Evens. Dieses anbetungswürdige Denkmal der göttlichen Erbarmung glich einem glimmenden Zunder, einem unsterblichen Lichtfunken, welcher fähig war, alle 7 Lebenskräfte des Feuergrundes in Liebe zu entzünden, und überhaupt das verlorne Lichtreich in der ganzen Menschheit wieder aufzurichten.
Eben dieser himmlische Lebensfunken ist jenes Senfkörnlein, jener Sauerteig, welchem Jesus das Reich Gottes verglich, oder um mit einem Worte alles zu sagen: es ist der lebendige Samen des göttlichen Reiches, den alle Menschen ohne Unterschied empfangen, der aber freilich bei den meisten unter die Dornen oder an sonst unfruchtbare Örter fällt. Dieser göttliche Lebens-Samen wurde durch Even auf ihre Söhne und Töchter, und durch diese von Geschlecht zu Geschlecht bis in den seligen Zeitpunkt fortgepflanzt, wo das Leben und Licht (Vita erat lux.) selbst erschien, um alle Menschen zu erleuchten und zu beleben, welche der Wille des Fleisches in und für die äußere Tierwelt erzeugt hat. Allein wie das Licht die Finsternis und das Leben den Tod nicht anders, als durch Überwindung im Streite unterjochen kann, beide aber bald siegen, bald besiegt werden; so geschah es auch hier. Das Licht besäße zwar Übermacht und Stärke genug, allen Widerstand zu heben und sich überall Sieg zu verschaffen, wie wir hievon an der plötzlichen Belehrung Sauls ein redendes Beispiel haben, allein der freie Wille des Menschen, den Gott auch nach dem Falle noch fortdauern lassen wollte, hinderte das Licht an dem Gebrauche seiner Allmacht: denn Gott will kein gezwungenes, sondern ein im strengsten Sinne freiwilliges Volk haben. Daher kam es denn, dass der göttliche Lichtsfunken, seit Menschen sind, unaufhörlich bald herrschte, bald wieder unterdrückt wurde. Weil es auch nicht selten geschah, dass das Licht schon bei der Fortpflanzung und Ausgeburt der Seele die Oberhand erhielt, so wird es sehr begreiflich, wie Gott die Evas noch vor ihrer Geburt hassen, die Jakobe hingegen lieben konnte. O Brüder, welch ein Glück ist es demnach, von frommen Eltern gezeugt zu sein! Wie zahlreich sind nicht die Beispiele von unglücklichen Seelen, die bloß der baumelnden Lust des Fleisches ihr Dasein schuldig sind? Ach! derer, die unter dem Kreuze gezeuget wurden, sind, leider! zu wenig, sonst würden wir gewiß die überzeugendste Parallele zu ziehen im Stande sein.
Durch die zwei Arten, wie der göttliche Lebensfunken fortgepflanzet wurde, entstanden in der Nachkommenschaft Adams zwei Geburts-Linien, nämlich die Linie des Lichtes und dann die Linie des Weltgeistes oder der Finsternis. Beide ließen unausgesetzt neben einander fort: Jene brachten die Kinder Gottes, diese aber die Töchter und Söhne der Menschen hervor. Eva war zwar die Urbesitzerin des wieder in der Finsternis aufglimmenden Lichts, allein der Weltgeist bewies dem ungeachtet sein erstes Recht an ihren Kindern; denn Kain, der Erstgeborne Evens von dem sie doch glaubte, sie besäße schon in ihm den Mann Jehova, welcher der Schlange den Kopf zertreten sollte, war ein Brudermörder. Ihr zweiter Sohn, Abel, gab also erst der Lebenslinie ihren Anfang, die sich neben jener unaufhörlich bis auf Marien, die Reinste unter den Jungfrauen, fortpflanzte. Endlich erschien der längst gewünschte, viertausendjährige Welttag, welcher in den Ratschlüssen Gottes, wie der vierte Schöpfungstag zur Konzentrierung des äußern Natürliches in die Sonnenkugel, also auch dieser zur Offenbarung des Worts, als der Sonne der Geisterwelt, in der menschlichen Natur bestimmet war. Der ganze Himmel, die ganze Lichtwelt, bereitete sich zu dem neuen Schauspiele zu, worin die erbarmende Liebe des Vaters eine so unbegreiflich erniedrigende Rolle auf sich nahm. Die allermächtigste Gesandtschaft, welche je zwischen Himmel und Erden, zwischen Gott und dem Geschöpfe möglich war, wurde veranstaltet. Gabriel musste die in Marien vereinigte menschliche Willensfreiheit im Namen des Allerhöchsten, um ihre Einwilligung zur Fleischwerdung des Wortes in ihr ersuchen. Nach einer kleinen Beratschlagung mit sich selbst willigt sie ein, unterwirft sich ganz dem Wohlgefallen Gottes; wird hierauf vom Geiste des Wortes erfüllt; die Kraft des Allerhöchsten, nämlich dessen Herrlichkeit, als der Kraftleib, oder das Passivum der Gottheit, überschattet ihren jungfräulichen Lichtgrund, worin der Geist des Wortes durch Erregung des magischen Feuertriangels, von dem wir oben geredet haben, eine wahre, männliche Feuerseele bildet, dieselbe sogleich mit seinem Gottheitslichte tingieret, beiden aus dem Elemente einen ätherischen Leib formieret, solchen auch zugleich mit einem Körper aus den vier Elementen verbindet, und endlich als ein wahrer Mensch geboren wird.
Das, liebste Brüder, ist jenes unaussprechliche Geheimnis der Liebe unseres Gottes, dessen Breite, Höhe und Tiefe größer ist, also der kreatürliche Verstand auch in der Ewigkeit je begreifen wird; je größer, als die Erschaffung von tausend Weltsystemen, denn diese sind das Resultat festgesetzter Regeln, welche wenigstens für höhere Intelligenzen noch begreiflich sind, und selbst von ihrer Leitung abhängen. Allein die Fleischwerdung dessen, den auch die Seraphine zitternd anbeten, ohne nur die allerkleinsten seiner Tiefen begreifen zu können, diese ist ein Abgrund aller Abgründe und eine Tiefe, wo hinein die erhabenste Engelwelt nicht blicken kann, ohne sich selbst zu verlieren. Und wir, geliebte Brüder, können wir weniger als von heiligem Schauder erfüllt, unter dem stärksten Gefühle der Ehrerbietung und Dankbarkeit verstummen? ---
Das Wort oder der Erstgeborne vor allen Kreaturen und Gott von Gott offenbarte sich also dadurch im Fleische, dass es selbst Fleisch ward und die elende, armselige, verwilderte Menschheit unzertrennlich mit seiner ewigen Gottheit verband, in der Absicht, den aufgewachten Grimm der Feuerwelt wieder in das Reich des Lichtes zu versetzen, die getrennten Lebensprinzipien wieder zu vereinigen, und durch die Wiedergeburt des Lichtlebens die Zorngerechtigkeit des Vaters zu versöhnen. Unter dieser fleischlichen Hülle wuchs der Gott-Mensch wie andere Adam = Söhne auf; nahm an Gnade zu bei Gott und den Menschen, war seinen Eltern untertan; führte dreißig Jahre hindurch ein armes, ungekanntes, verleugnungsvolles Leben; trat endlich als Sohn und Gesandter seines himmlischen Vaters auf; lehrte seine Brüder die bis dahin größtenteils verborgen gebliebenen Lebenswahrheiten, bewies, daß es um des Heiles seiner Schafe willen nötig sei, sein Blut und Leben für sie zu lassen, bekräftigt solches auch durch das unerschrockene Opfer seiner selbst, indem er nach einer Reihe der grausamsten Misshandlungen zwischen zwei Mördern, die man ihm vorzog, an dem infamen Kreuzpfahle sein irdisches Leben unter dem Gebete für seine Kreuziger verlor. Dieses war das tragische Ende des Gottmenschen, bei dessen Geburt der Himmel noch nie begangene Freudenfeste hielt, und welchem bei seinen Lebzeiten mit göttlicher Ehrfurcht zu dienen, sich die Bewohner der Engelwelt um die Wette bemüheten.
Anbetungswürdiger Jesus! Bis wie weit hat Dich Deine Liebe gebracht! Da hängst Du nun, von der Hand Deiner eigenen Brüder mit Nägeln durchbohrt, zwischen Himmel und Erde, von Deinen Feinden verspottet. Deinen Freunden vergebens bedauert, und selbst von Deinem Vater verlassen, ein Triumph das Satans und die Lästergeschichte der Welt. Guter Jesus! Du bist zwar ganz Liebe, ganz Wohltun, ganz unschuldig duldendes Lamm. Aber hier gehest Du ja Lieben offenbar zu weit. Deine Liebe wird Grausamkeit gegen Dich selbst. Und obwohl die Liebe ihre Märtyrer hat, so raubt sie sich doch mit dem Tode die Wollust, ferner lieben zu können. ---
Ihr habt Recht, Brüder, diese traurige Geschichte fordert eure ganze Teilnehmung, euer tiefstes Mitgefühl, euren wärmsten, aufrichtigsten Dank. Allein, wie sehr würdet ihr irren, wenn ihr Gott eine blos menschliche Liebe zutrauen wolltet! Gott liebet als Gott, folglich mehr als Geschöpfe, die nicht Gott sind, jemals begreifen können. Auch diese menschliche Liebe tötet der Tod, oder macht sie wenigstens untätig und arm. Aber ein Liebhaber der wesentlicher Gott ist, stirbt nur von außen, um nach dem Tode noch stärker lieben zu können. Lasset daher das äußere Gestirn immer sein Antlitz in Trauer verhüllen, die Erde immer sinken und beben: Jesus ist unsterblich, oder Gott. Die Natur mit ihrem Weltgeiste mag trauern und sich in tötenden Schmerz begraben: beide haben des Ursache; denn der Tod der Liebe hat der Herrschaft des äußern Gestirns das Endurteil gesprochen, und auch dem Fluche der Erde die Ausstossung verkündigt. Sehet aber, wie die Liebe, welche tot war, nun wieder lebet, wie sie die guten Väter der Vorwelt besuchet und tröstet; wie sie sogar den Seelen der Verdammten --- ach! dass es uns zu sagen erlaubt wäre --- Liebe und Wohltun prediget. Sehet, wie sich die gekreuzigte Liebe nach Ablegung der fleischlichen Hülle neuerdings mit ihrem ätherischen Leibe bekleidet, ihn vom Tode erwecket, darin ihren hinterlassenen Völklein erscheinet; mit ihren Jüngern isst und trinkt; sich greifen und sehen lässt, und was dies alles noch an Wichtigkeit übertrifft, wie sie eine ganz neue Art von Liebe anfängt; den Ihrigen auch ein neues Gesetz der Liebe erteilet, ihnen ihre Gegenwart bis ans Ende der Welt zusagt; endlich sichtbar gegen Himmel fährt, und sich daselbst zur Rechten ihres Vaters setzet, welcher ihr alle Gewalt über Himmel und Erde erteilet, damit es ihr je an keinem Mittel gebreche, ihre Kinder von nun an mit ewiger Liebe zu lieben, und endlich die ganze Menschheit nach und nach wieder mit ihrem göttlichen Ursprunge zu vereinigen.
Ja, liebste, teuerste Brüder, das Wort ward Fleisch, und wir haben seine Herrlichkeit unter der menschlichen Hülle gesehen. Das Wort, welches im Anfange bei Gott war, ja welches selber Gott war, ist und sein wird, hat durch eine wesentlich unzertrennliche Verbindung der Gottheit mit der menschlichen Natur den von Eva auf Marien fortgepflanzten Lebensfunken wieder aufgeblasen, hat den Grimm der Natur mit dem Oele der Sanftmut gesalbet; die Hölle der Himmel, die Finsternis ins Licht, den Tod in Unsterblichkeit und Leben verwandelt, und überhaupt das Bild Gottes, das innere Lichtreich, zuerst in seiner eigenen Person und dann auch in den Seelen jener Erstlinge des Glaubens wieder aufgerichtet, welche in dem Augenblicke seines Todes mit ihm in dem neu aufgeschlossenen Lebensgrunde in Eins zusammenflossen, die ersten Glieder an dem Leibe Jesu ausmachten, und vielen Bürgern Jerusalems erschienen. Die Notwendigkeit der Leiden Jesu war also selbst in der ewigen Natur gegründet; denn „wisset ihr nicht,“ sind seine eigenen Worte, „dass Christus das alles leiden musste, um zu seiner Herrlichkeit einzugehen?“ Sagen es nicht die Propheten? Hat es der Geist Gottes nicht auf mannigfaltige Art zum Voraus verkündigt, und habt ihr es nicht selbst aus den mosaischen Opfern lernen können, dass der Gottgesalbte nur durch die Vergießung seines Blutes, nur durch ein Schlachtopfer seiner selbst in das Allerheiligste eingehen konnte? Ach! Du nennest uns wohl recht Thoren, o Jesu, und Wesen von einem trägen und verstockten Herzen. O, wie so blind, so verhärtet sind wir ohne den Einfluss Deiner Gnade an allem, was Gottes ist? Wir haben uns um eine ganze Geburt von dir und Deinem Lichtreiche abgebrochen. Unser Geist, Seele und Leib sind gleich verderbt, gleich leer an Allem, was unsern magischen Feuerhunger sättigen kann; dem ungeachtet fühlen wir unsern Verlust nicht, und werden von Traurigkeit befangen, wenn wir sehen, dass um das Licht wieder auf den Thron zu setzen, die Geburt des Fleisches, auch selbst an Dir, o göttlicher Brudermeister, zuvor notwendig sterben, und alle sieben Lebenskräfte, welche außer der Verbindung mit Dir nur elende Sklaven des Weltgeistes sind, vorher zum Tode, zur Auflösung und Verwesung gebracht werden müssen. Denn, seid versichert, liebste Brüder, der Satz: „die Zerstörung des Einen ist der Grund zur Gebärung des Andern.“ Ist allgemein, und gilt vorzüglich bei der Wiedergeburt des Menschen, und zwar um so gewisser, je strenger derselbe sogar auf die Person Christi gewirket hat. Wie könnte es auch je der Lehrling besser als der Meister haben wollen? Nein, Brüder, eben da müsst ihr hindurch, wo euer Meister vorausgegangen ist; Fleisch und Blut mögen sich auch darob entsetzen wie sie wollen. Bedenket, dass ihr Kreuzbrüder seid; dass ihr zu dem eben dem geheiligten Galgen geschworen habt, welcher den Heiden Torheit, den Juden Ärgernis und den Maulchristen ein Stein des Anstoßes ist.
Begreifet es wohl, teure Brüder, worin das Werk der Erlösung durch Christum eigentlich bestand. Zuerst verband Gott das verlorene Lichtprinzipium durch eine natürliche Geburt aus Marien in Christo mit der menschlichen Natur. Die Gottheit Jesu war folglich mit einer wahren menschlichen Seele vereinigt, und diese mit einem menschlichen Geiste und Leibe. Er nahm alle sieben ausgearteten Lebenskräfte an sich, ohne jedoch ihrer sündhaften Ausgeburten teilhaftig zu werden; wurde auch in allem versuchet, wie wir; hat aber die Versuchung zur Sünde beständig, wie dort in der Wüste, durch die innere Kraft seiner Gottheit besiegt, und endlich den Zunder der Sünde vollends durch den schmerzlichsten Tode des Leibes hinrichten lassen. Diese leblose Asche, diesen toten Stoff belebte er hierauf neuerdings mit seinem göttlichen Lichtgeiste, tingierte dadurch den toten Fluch in Leben und Licht; versetzte die Prinzipien des äußeren Leibes wieder in ihre ehemalige Temperatur; öffnete dadurch das verlorene Paradies wieder, und verklärte seinen äußeren Körper in den lichtvollen, glänzenden, himmlischen Leib, den er vormals schon auf dem Berge Tabor einigermaßen hervorleuchten ließ; mit dem er durch verschlossene Türen ging, auf dem Wasser wandelte, den Elementen befahl, und endlich in den Schoß seines Vaters zurückkehrte, um seiner aufkeimenden Liebesgemeinde den Geist der Wahrheit zu senden. O wie wahr ist es demnach, dass, wie durch die Sünde eines Einzigen die Verdammnis über alle Menschen kam, eben so auch durch die Gerechtigkeit eines Einzigen das Leben über alle Menschen gekommen sei! Denn gleichwie wir in Adam alle sterben, so werden wir auch alle in Christo wieder lebendig gemacht werden.
Das sind gewiß tröstliche, wohltätige, wonneatmende Wahrheiten, liebste Brüder. Indessen ging solches dazumal nur in Christi Menschheit vor, und alle übrigen Adamskinder, welche durch den Glauben an den verheißenen Messias nicht schon vorher in den Lebensbaum eingepfropfet waren, blieben so wie heut zu Tage in den Sünden und dem Fluche begraben. Denn Christus hat nicht in dem Sinne den väterlichen Zorn in der menschlichen Natur besänftigt, dass wir nur etwa die Geschichte davon bloß historisch wissen, und glauben, uns, wenn es doch hoch kommt, selbst für Sünder bekennen, uns seines Verdienstes getrösten, und dabei das Leben des alten Menschen mit seinen tierischen Trieben erhalten und täglich größer füttern dürften? O nein, Geliebte! Das ist der allgefährlichste und doch, leider! allergemeinste Selstbetrug von allen; denn es ist eine schlechterdings unumstößliche, obwohl für das Leben des Tiermenschen schreckliche Wahrheit: Wer sein eigenes Leben oder seine Seele lieb hat, der wird sie verlieren; wer sie aber um Jesu willen verlieret, wird sie zum Leben erhalten. Dies ist allerdings eine fürchterliche Lektion für das Leben des Fleisches, eine Lektion, welche selbst dem Gottmenschen den drückendsten Angstschweiß ausgepresst hat. Indessen wird keine Silbe an dem Inhalte nachgelassen. Alles, was in Christo äußerlich und innerlich vorging, muß auch im Kleinen in uns selbst, wiewohl geistig geschehen. Auch in uns muß Christus Mensch werden; muß seine Gottheit wesentlich in uns ausgebären; alle sieben Lebenskräfte durch das Schwert des Cherubs, der den Eingang in´s Paradies verwahret, töten, sie alsdann mit seinem Geisteshauche wieder beleben, vom Tode erwecken, und mit sich in den Himmel erheben. Alsdann erst, liebe Brüder, sind uns die Verdienste Christi im Wesen zugerechnet worden, weil wir die Früchte derselben, nämlich die Sättigung unseres finsteren Seelenhungers, als worin eben die wahre Vergebung der Sünden bestehet, wesentlich in uns empfinden. Alsdann erst sind wir wahre Christen, oder besser, kleine Jesus, und lebendige Glieder seines Leibes, weil wir mit ihm, wie Rebzweige mit ihrem Weinstocke, unzertrennlich verbunden sind; nur aus ihm Saft und Nahrung ziehen, und als getreue Schafe nur seine Stimme hören, lieben und befolgen.
Sehet, Kinder, warum Jesus sagte: „Wo ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, so habt ihr kein Leben in euch; denn in diesem verklärtem Fleische und Blute wohnet die ganze Gottheitsfülle leibhaft. Es ist eine allgemeine Lebenstinktur, jenes Universalissimum, welches Jesus, dieser liebreiche Scheidekünstler, an und aus sich selbst unter den bittersten Leiden am Kreuze bereitet hat. Mit dieser göttlichen Tinktur müssen wir Protektion (lat: Schutz) tun, müssen sie wesentlich mit uns verbinden, d.h. wir müssen dieses hochteure Fleisch und Blut wirklich genießen; aber nicht bloß mit dem tierischen Munde, auch nicht für das grobe, äußerliche Lasttier, als welches unwiderruflich zum Verwesungstode bestimmt ist. Unsere Seele hat ihren eigenen Mund, der mit dem tierischen Munde in keiner Verbindung stehet, und welcher geöffnet sein kann, wenn letztere verschlossen ist. Dieser Mund ist die magische Begierde, die Anziehungskraft der Seele, der Hunger und Durst nach dem Himmelsbrote und dem Lebenswasser, das allein diesen magischen Feuerwirbel dauerhaft sättigen kann. Eben diese magische Begierde heißet, mit Vertrauen und Liebe verbunden, lebendiger Glaube, welchem alle Dinge möglich sind, und bei dessen Mangel Jesus selbst keine Wunder wirken konnte; denn sie ist ein Teilchen der göttlichen Macht aus der ewigen Natur, ohne welche Gott selbst keineswegs allmächtig wäre. Ihre Eigenschaft ist, dass sie alles, wonach sie imaginiert, festhält, anziehet, in sich nimmt und mit ihrem Wesen verbindet, es auch nach ihrer herrschenden Eigenschaft modifizieret. Lieben ist also so viel, als Genießen. Was demnach die Seele liebet, davon isst und nährt sie sich, wird aber davon in eben das umgewandelt, was sie genoß. Adam imaginierte in das tierische Prinzipium, und ward zum Tiere. Irdische Tiermenschen imaginieren nach Eitelkeit, und allem demjenigen, was ihrer Sinnlichkeit schmeichelt, und aus dem Geiste dieser Welt seinen Ursprung hat; himmlische Menschen hingegen treten die Natur unter die Füße, und imaginieren mit Ausschluß alles Übrigen in den Geist Jesu, ihres göttlichen Liebhabers, welchen sie durch den Magnetismus ihrer Seele anziehen, im Glauben ergreifen, und sich wesentlich von ihm besitzen lassen. Auf ihn allein sehen sie durch alles hindurch, was ihnen immer auf dieser Welt begegnen mag. Kurz, Jesus ist der Geist ihres Geistes und das Leben ihres Lebens. Außer ihm können, wollen, wissen und verlangen sie nichts. Sie sind der Welt und Allem, was nicht Jesus ist, gestorben, und ihr Leben ist mit Christo verborgen in Gott; denn nur die, liebste Brüder, sind wahre Kinder Gottes, welche aus Gott geboren sind, welche vom Geiste Gottes getrieben werden. Wer daher den Geist Christi nicht hat, der ist auch nicht sein; ist kein Christ und hat sich weder hier, noch dort des Erbteiles wahrer Christen zu getrösten.
O, dass wir es doch tief genug in eure Seele schreiben könnten, worauf es bei einem echten Christentume, als dem einzigen, untrüglichen Wege zu den Schätzen beider Lichter eigentlich ankomme. Es hilft keine Heuchelei, keine bloß äußerliche Zurechnung der Verdienste Christi, wie man nun fast allgemein lehret und glaubt. Entweder mit Christo sterben und in ihm auferstehen, oder in die äußersten Finsternisse hinausgeworfen werden; eines von diesen beiden ist unser unvermeidliches Los. Es gibt kein drittes, kein Mittelding zwischen beiden. Entweder alles oder nichts, Leben oder Tod, Licht oder Finsternis sind die zwei Extremitäten, die unserer Wahl vorgelegt sind; und obwohl es allerdings in den Gefilden der Ewigkeit Reinigungsstufen gibt, mittels welchen von einem Äußersten zum andern allenfalls noch Wege vorhanden sind, so werden sie doch nur dazu dienen, uns in die zwei Extremitäten auf lange Ewigkeiten hinaus festzusetzen. Was wir von den Verdiensten Jesu nicht wesentlich in uns empfinden, nicht an unserer eigenen Seele erfahren, geht uns auch nicht an, und ist eine Sache, die außer uns vorgehet und unserem Herzen fremd ist. Der Geist Jesu selbst muß wesentlich in uns jene tröstlichen Worte aussprechen: „Sohn, fasse Mut, deine Sünden sind dir vergeben.“ Alsdann, Brüder, alsdann fangen wir erst an, Christen zu sein, und kommen dann um so freudiger zu Jesu, um von ihm erquicket zu werden. Bloßes Wissen ohne Ausübung gilt nichts, sei es auch so erhaben, als immer es nur wolle; denn wer sich wegen seiner Wissenschaften etwas dünken lässt, da er doch nichts ist (Gal.6,3), der weiß noch nicht, wie er wissen soll. Freilich soll und muß die Wissenschaft den Weg bahnen; aber sie dienet bloß, um uns von dem zu unterrichten, was wir ausüben, was wir tun sollen. Der Satan weiß unstreitig mehr, als alle unwiedergeborene Menschen zusammen genommen; solches alles erteilt ihm aber seinen englischen Zustand nicht wieder . Es gilt hier, was dort der Apostel sagte: Christum lieben, d.h. ihn nicht bloß wissen, sondern mit seiner Seelen-Magie oder Begierde festhalten, auffassen, und wesentlich genießen, ist besser, denn alles wissen. Dies ist die einzige Lektion, die einzige Wissenschaft, das einzig Notwendige für unsere, von dem Leben aus Gott entfremdeten Seelen, nämlich: Christus in uns. Auch ist nur ein einziger, freilich schmaler, aber höchst untrüglicher Weg zum Ziele, nämlich der Tod und die Verleugnung alles dessen, was Christus nicht ist. Besitzen wir hingegen einmal Christum in uns, so ist alles, auch das erhabenste Wissen, nur unser Ziel, unsere Ergötzung. Die Wissenschaft gehet zwar öfters in gute Vorsätze über, die erkannte Wahrheit zu befolgen; allein auch diese gelten ohne die Ausübung nichts. Ja, wenn wir mit Engelszungen redeten, weissagen könnten, alle Geheimnisse der Natur und Gottheit inne hätten, mit unserm Glauben Berge versetzten, Gold und Silber wie Steine auf der Gasse bereiteten, dabei unser ganzes Vermögen in den Schoß der Armut ausschütteten, und selbst unsere Leiber verbrennen ließen: hätten aber die Liebe nicht, welche nach dem Zeugnisse eines anderen Apostels Gott selber ist in Jesu Christo, der sich uns durch seine Menschwerdung zur Nahrung darreichte, so wären wir leer tönendes Erz und eine klingende Schelle ohne Geist, ohne Leben, ohne den mindesten göttlichen Wert. Das merkt euch wohl, liebe Brüder, denn der Apostel hat uns hier das Allerwichtigste gesagt, was er hatte. Bloßes Wissen, ohne solches in Tat übergehen zu lassen, blähet auf, und heiliget uns nicht; aber auch die glänzenste Tat ohne Liebe, d.h. ohne den Geist Christi getan, welcher die Triebfeder aller unserer Handlungen sein muß, hat ebenso wenig inneren Wert, als ob sie gar nicht getan wäre; denn es ist unmöglich, dass Gott etwas gefallen könne, was er nicht durch seinen eigenen Geist in uns ausgewirkt hat. –
Christus allein macht demnach wahre Christen, liebste Brüder, indem er uns von seinem eigenen Geiste mitteilet und endlich völligen Besitz von unseren Seelenkräften nimmt, dass wir es nicht mehr sind, welche leben und wirken, sondern Jesus ist es, welcher in und durch uns lebet. Sein Geist ist es, welcher uns besitzt und treibet, und uns zu wahren Kindern Gottes umschafft. Die am Kreuze getötete und wieder erweckte Menschheit ist das Vehikel (Gelegenheits-Beförderungsmittel) dieses belebenden Christus-Geistes, wodurch wir nach dem Maße unserer Empfänglichkeit eben die Gottesfülle wesentlich erlangen, welche in Christo als dem Haupte seines Leibes und dem höchsten Brudermeister unseres Ordens leibhaft wohnet. Indessen geschieht aber diese Erneuerung unserer Menschheit nur bedingungsweise, und nach unumstößlich festgesetzten Regeln, nicht durch eine bloße Zurechnung ohne Wesen, ohne göttliche Substanz, die aus Jesu in unsere Seele überginge, sondern durch eine wahre, tätige, wesentliche Mitteilung desjenigen Geistes, der uns treiben soll. Um Kinder Gottes zu sein, müssen wir ja aus eben dem Prinzipium geboren werden, in welchem es dem Urheber des Ganzen gefallen hat, sich als Vater zu offenbaren. Der Sohn muß wesentlich aus dem Vater gezeugt worden sein, wenn er den Namen eines Sohnes mit Recht führen soll. Wer von euch wird behaupten wollen, die niederen Metalle können zu dem Grade der irdischen Sonne erhöhet werden, ohne mit der verwandelnden Tinktur wesentlich in Berührung kommen zu dürfen? Ohne von ihr in allen Teilen innigst durchdrungen zu werden? Nun ist das Fleisch und Blut Jesu die Tinktur für unsere Seelen, wie der irdische Naturheiland für die Metalle. Beide hat uns der oberste Herr und Meister auf die von seiner Vorsehung uns anvertraute kleine Herde fortzupflanzen Kraft und Gnade verliehen, jedoch nur von der ihm selbst empfangenen aus und festgelegten Ordnung. Jesus war der erste Kreuzbruder, welcher durch eine wesentliche Verbindung der Gottheit und Menschheit projektionsmäßig wurde , und das Universalissimum für unsere Seele bereitet hat. Jene zwölf geringen Leutlein, die er sich zu Aposteln wählte, waren nebst Marien, seiner Mutter, und einigen Familienverwandten, die alle einmütig und auf Hoffnung der Projektion versammelt waren, die ersten unter Even´s Kindern, welche noch bei Lebzeiten mit dem Heiligen Geiste getauft wurden und diese Lebenstinktur empfingen. An dem nämlichen Tage, wo der göttliche Geist eine so ganz neue Art der Enthusiasten aus den Aposteln gebildet hatte, das fast jedermann davon in Verwirrung geriet, geschah abermals bei drei Tausenden Projektion; ja, der Herr war so gnädig, dass er von Tag zu Tag Mehrere hinzubat, so zwar, dass sich die Zahl dieser glücklichen Lichtkinder in Kürze auf fünftausend Seelen belief.
Seither ist nun der Haufen der Gläubigen zu einer solchen Menge angewachsen, dass Johannes, der sie im Geiste sah, dieselbe einer Schar vergleicht, die niemand zählen konnte, und damit es nicht dem mindesten Zweifel unterworfen bleibe, dass solche Schar aus lauter, mittelst der Lebenstinktur Jesu neugeborenen Seelen bestehe, so wird Johannes unterrichtet: diese Seelen seien sämtlich aus großer Trübsal gekommen, und haben ihre Kleider im Blute des Lammes gewaschen.
O des einzig guten, einzig liebenswürdigen Jesu! Wie groß, wie unendlich ist seine Güte! Wie unaussprechlich hat er uns geliebet! Wie tief, wie erhaben, wie göttlich ist das Geheimnis des von Anfang erwürgten Lammes! Das so unschuldslos vor seinem Scherer verstummt; das mit so viel Sanftmut und Selbstverläugnung aller Welt Sünde trägt; selbst sein Leben zu unserer Erhaltung aufopfert, und daher auch allein das Vermögen erlangte, die sieben Siegel des in- und auswendig beschriebenen Buches zu erbrechen. Kommet doch, Geliebteste, fallet mit uns vor dem Throne des Ewigen auf euer Angesicht nieder! Lallet mit uns jenes entzückende Lied der Ältesten: „Du allein, o Jesu, bist würdig zu nehmen Kraft, und Reichtum, und Weisheit, und Stärke, und Lob, denn Du hast uns mit Deinem Blute und Tode erkaufet aus allerlei Zünften, und Sprachen, und Völkern, und Heiden, und hast uns unserem Gotte zu Königen und Priestern gemacht.“ -
Liebe Brüder, wir können es euch nicht stark und nachdrücklich genug sagen, dass Jesus verklärtes Fleisch und Blut die Universal-Lebenstinktur der ganzen Menschheit sei, welche jemals war, ist und sein wird. Seelen, welche in dem Prozesse ihrer Wiedergeburt bereits so weit gekommen sind, dass sie diese Lebenstinktur in einem vorzüglichen Maße empfangen haben, sind sodann Mitteltinkturen oder echte Projektionskanäle, wodurch Christus das Reich seines Geistes nach und nach auf dem ganzen Erdboden ausbreiten will. O Kinder! Zu welchen Geheimnissen würde uns diese Materie Stoff verleihen, wenn hier der Ort dazu wäre, sie bis zu ihrer Erschöpfung zu verfolgen. Wenn ihr aber über Verschiedenes nachdenken wollet, was bei euren Eintritte in den h. Orden vorgegangen ist, und wovon in unseren Erlässen sowohl als auch den echten Ordens-Tabellen so weit ausgehende Fingerzeige gegeben werden, so kann es nicht fehlen, der blendende Nebel, der euch bisher den wahren Gesichtspunkt verrückte, wird, endlich vom Glanze der Wahrheit besiegt, euch ohne Hülle in das innere Heiligtum blicken lassen. Gerne möchten wir hier zum Behufe der Wahrheitsliebe den Vorhang noch mehr zurückziehen, hinter welchem die Kleinodien, die Schätze beider Lichter, verborgen liegen; allein wir wissen es zu wohl, wie schwach eure Schultern noch sind, als dass wir sie mit Dingen von so großer Wichtigkeit öffentlich beladen dürften. Außerdem wäre es auch allzu gefährlich, die Geheimnisse der Weisheit ohne Hülle zur Schau zu tragen. Was ein scharfes Messer in der Hand eines Kindes ist, das wären gewisse Ordensgeheimnisse unter Brüdern, denen die nötige Stimmung fehlet. Wenn wir hie und da noch zurückhaltend sind, so geschieht es teils aus Erfurcht gegen die Sache selbst, teils aus Gehorsam gegen den ausdrücklichen Befehl unseres höchsten Brudermeisters, die Perlen der Weisheit keiner Gefahr der Zertretung auszusetzen; beides aber gereicht euch selbst zur wahren Wohltat, obwohl ihr es etwa so nicht erkennen möchtet. Ach, wenn wir einst alle von uns werden mit Paule sagen können: wir aber haben den Sinn, den Christus hat; alsdann, Brüder, alsdann erst werden die Schuppen der Blindheit wegfallen, und unsern Blicken in´s Heiligtum keine Grenzen mehr setzen. Alsdann erst wird es unserm Vaterherzen erlaubt sein , sich ganz für euch zu öffnen und euch, wie Kindern des Hauses, die Ökonomie des Allvaters im Zusammenhang sehen zu lassen.
Aus den echten Ordenslehren seid ihr von dem unschätzbaren Werte und dem großen Wirksamkeitsvermögen des irdischen Kleinods überzeugt, liebste Brüder. Untersuchet mit einem wahnfreien, unbefangenen Herzen den vierten Grad des Ordens genau: überdenket alles, was darin vorgehet, und sehet die Wirkungen eurer Arbeit an, wo ihr anders nicht mit ungewaschenen Händen zugreifet und dadurch alles fruchtlos machet. Wenn nun der irdische Naturheiland schon so unaussprechliche Kräfte besitzt, welche Schätze von Hoheit, Gnade, Güte, Weisheit und Vortrefflichkeit müssen nicht erst mit dem Besitze der himmlischen Lebenstinktur verbunden sein? Wahrlich, Kinder, die Scheidekunst, welche Jesus lehret, und von der wir selbst die Wahrheit sind, ist so sehr über allen Begriffe des natürlichen Menschen, welcher die Dinge des Geistes Gottes unmöglich vernehmen kann, erhaben, dass sie keine Sprache sterblicher Menschen nach ihrer ganzen Würde zu schildern fähig ist. Nur stammeln wollen wir etwas Weniges von dem, was die göttliche Liebestinktur in der Seele auszuwirken pfleget.
Die Absicht Gottes bei Gehung seines Sohnes für die Sünden der Welt war lediglich die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes. Nun aber ist der Sohn allein das wahre, gleichwesentliche Ebenbild des Vaters; der Abglanz seiner Herrlichkeit; das alles erhaltende Wort, in welchem mit Ausschluß alles Geschaffenen der Vater allein sein Wohlgefallen hat und haben kann. Was folget also hieraus, liebe Brüder? Anderes nichts, als dass ohne den wesentlichen Besitz des Geistes Jesu kein göttliches Ebenbild in uns möglich sei, und dass wir nur in, mit und durch dieses göttliche Ebenbild unsrem himmlischen Vater wohlgefällig werden können. O der großen, teuren, seligen Bestimmung, Ebenbilder des Wortes zu sein, wie das Wort das Ebenbild des Vaters ist. Alsdann, Geliebteste, findet jenes große Zeugnis wieder Platz in uns, dass alles, was Gott in uns geschaffen, erzeuget, wiedergebracht hat, gut, ja sehr gut sei, maßen (= weil) er alsdann in uns sein Ebenbild erblicket, in welchem er allein sein ganzes, sein einziges Wohlgefallen hat. Aber … da Du in dem vollkommensten Grade unteilbar bist, o Gott, wie machtest Du es denn, als Du von dem Überflusse Deiner Liebe gedrungen wurdest, Dein Ebenbild in einem so unzählbaren Erdengeschlechte hervorzubringen? Ach! Wie sollte es ein höchst unteilbares Wesen anders machen, als dass es sich selbst mitteilte, sich selbst zu genießen gab, und dergestalt sein eigenes Wesen gleichsam fortpflanzte? Sich selbst mitteilen, heißet bei einem unendlich selbständigen Wesen dasjenige in Besitz nehmen, dem man sich mitgeteilet hat. Nun hatte sich Gott dem Adam wesentlich mitgeteilet; er teilet sich aber nur durch den Sohn in der Weisheit mit, und der Sohn ist das lebendige Ebenbild des Vaters: folglich war Adam das Ebenbild des Wortes, das innigst mit ihm vereinigt war. Der Sohn wird vom Vater durch ein wesentliches Hauchen in sich (ad intra se) erzeuget und das erzeugte Wort (genitum – non factum) bringt sich sodann in den Geschöpfen durch ein anderes Hauchen außer sich (ad extra se) hervor, um das Ebenbild des Vaters durch und in den Geschöpfen zu vervielfältigen. Nachdem hierauf Adam das göttliche Ebenbild verlor, so musste auch die zweite Mitteilung oder Wiederherstellung dieses Ebenbildes notwendig abermals von und durch das Wort geschehen, weil kein Geschöpf, sondern nur das Wort allein sich selbst der Menschheit wieder mitteilen konnte, wie auch nur der Vater allein das Wort als sein Ebenbild erzeugen kann. Weil sich aber der Mensch durch seinen Fall bis zu den Tieren herabgewürdigt hatte, so trieb die Liebe das Wort zu einer so unbegreiflichen Erniedrigung, dass es selbst Fleisch ward, um sich den Fleisch gewordenen Menschen wieder mitteilen zu können. Seitdem ist nun das Band zwischen Gottheit und Menschheit so eng, so unzertrennlich, dass sich das Wort nun selbst nicht mehr ohne Verbindung mit der Menschheit an unsere Seelen mitteilen kann. Das Fleisch Jesu ist also eine wahrhafte Speise und sein Blut ein wahrhafter Trank, welche beide zugleich das Vehikel der ganzen Gottheit sind.
Was Adam verlor, brachte Jesus und zwar in einem weit größerem Überflusse wieder. Ist es also nicht eine notwendige, deutliche sich selbst beweisende Folge, dass der Mensch, in welchem der Vater sein Ebenbild wieder sieht, nun mehr eben der unumschränkte Herrscher sowohl über die Elemente, als auch über die Gestirne in und außer ihm sei, wie es ehedem Adam war? Ja, Brüder, das ist, das muß er sein! Aber merkt es wohl, nur dann, wenn er sich durch seine Gnade wieder zu dem Leben aus Gott, zu dem göttlichen Ebenbilde hindurch gerungen hat. Die Elemente erteilen allen Dingen unserer Körperwelt den Leib, und die Gestirne geben den bewegenden Geist darein. Nun werden jene von der tinkturalischen Quint-Essenz, und von der Sonne beherrscht. Beide sind dem wieder erneuerten Menschen innerlich vorhanden, und weil er nun in einem höheren Lebensprinzipe steht, so herrscht er uneingeschränkt über beide. Nunmehr erhält der Vernunftmensch das Licht, welches die Gegenstände sichtbar machen muß, von innen heraus, anstatt dass er vormals von außen Nahrung und Leben empfing. Nun erst geschieht es, dass das Licht wahrhaft in unsere Finsternis scheinet, und auch unsern äußeren Leib erleuchtet; denn das innere Auge ist nun aufgeschlossen, das Ohr der Seele eröffnet, die Scheidewand zwischen der äußeren und inneren Welt zerbrochen, und dem Lichte ein ungehinderter Durchgang gemacht. Was könnte demnach ein Wesen von der Art die Beherrschung des ganzen Universums, wenn wir so sagen dürfen, streitig machen? Was wird seinem magischen Feuerwillen zu widerstehen im Stande sein? Hält er nicht das Ruder der ganzen Natur in seiner Hand? Hat er in Absicht auf die Geschöpfe weniger Allmacht, als sein Urheber, mit dem er wesentlich vereinigt ist? Welche Bewohner der Erde, des Wassers, der Luft und des Feuers werden ihm nicht zu Gebote stehen, wenn er ihnen mit dem Arme desjenigen gebietet, dem alle ihr Dasein schuldig sind? Wird es ihm Mühe machen. Berge zu versetzen, die Grenzen der Natur durch Wunderwerke zu überschreiten? Sollten ihm Weissagungen, fremde Sprachen, Geist- und Naturgeheinisse aller Art, ja selbst die menschlichen Gedanken verborgen bleiben können, ihm, dem sogar die Tiefen der Gottheit offenstehen? Und – was sollen wir von dem Inneren einer Seele sagen, in welcher das Wort sein Ebenbild wieder vollkommen aufgerichtet hat? Wir haben gezeigt, dass Adam als ein kleiner, untergeordneter Gott aus den Händen seines Urhebers kam. Sagen wir also zu viel, wenn wir behaupten, die erneuerte Seele ist im strengsten Sinne das wieder, was Adam vor dem Falle war: freilich noch mit der sterblichen Hülle umkleidet, die uns ihre innere Schönheit, ihren Glanz, ihre Gottähnlichkeit verbirgt. Allein diese Hülle, liebe Brüder, macht nicht mehr wie vormals den ganzen Menschen aus, maßen (= weil) das Schwert des göttlichen Wortes Leib, Seele und Geist bereits von einander getrennt und jedem seine eigene Stelle angewiesen hat. Diese glückliche Seele wohnet daher in einem ganz anderen Lande, in welchem ewiger Friede, Wohlsein und gesalbte Herzensstille ist, und wohin ganz kein äußerlicher Tumult gelangen kann. Sie hat an der Hand ihres treuen Jesu den Mittelpunkt erreichet, in welchem sich alle Linien endigen, alle Figuren und Zirkel in der Einheit verlieren. Sie ist glücklich in das Allerheiligste des Tempels der Natur und der Gnade eingegangen, ja, was noch mehr ist, sie selbst ist ein lebendiger Tempel der ganzen Gottheit, und hält alle Augenblicke mit ihrem Geliebten, mit ihrem Bräutigam das heilige Liebesmahl seines Leibes und Blutes. Sie kennet die Stimme des wahren Hirten genau, und folget ihr aus freiem Liebestriebe ihres Herzens, ohne Zwang und über alle Klügeleien der Vernunft erhaben. Ihr Mäcen, ihr Führer, ihr Induktor ist Jesus; und ihr Weg, ihre Wahrheit, ihr Leben ist ebenfalls Jesus, den sie um so stärker liebt, je mehr er ihr vergeben hat. Sein Geist, dem sie zum Unterpfande ihres Erbes wesentlich besitzt, ist ihr Lehrer, ihr Herr, ihr Meister, ihr Schriftausleger, ihre Bibliothek, ihr Kommentator. Aus seiner Fülle nimmt sie Gnade um Gnade, und aus seiner Quelle schöpft sie Trost und Beruhigung und Weisheit, und was sie je für Zeit und Ewigkeit hat. Sie ist das aus Mitteilung und Gnade, was Jesus von Natur ist. Ihr Wandel ist im Himmel, und der Himmel ist wesentlich in ihr. Da hat sie ihren Ruhepunkt gefunden, ihre Heimat, ihr Vaterland, ihre Mutter, die droben ist. Für dort hat sie das Bürgerrecht errungen, ist Kind im Hause, und künftiger Erbe aller väterlicher Güter. Jesus, erhabenste aller Gebete ist an ihr in Erfüllung gegangen; denn sie ist nicht nur in der Wahrheit geheiligt, sondern auch mit ihrem Geliebten vollendet in Eins. Ja, was allen Verstand übersteiget, - sie ist sogar mit Gott Ein Geist, und wohnet bereits in dem ewigen Tage, obwohl Sonne und Mond ihrem körperlichen Auge noch auf- und untergehen. Alle ihre Werke tut sie nunmehr in Gott, welcher gleichsam die Seele ihrer Seele ist, und sie als ein stummes Werkzeug zu allen seinem Willen brauchet. Wie sie von innen das Wohnhaus Gottes ist, so ist sie von außen Priester und König. Priester, weil sie täglich mit dem Blute ihres alten Menschen, den sie als ihr Schlachthof betrachtet, in das Allerheiligste eingehet, und Gott reine Opfer bringet: König, weil sie sowohl über sich selbst, als auch über die ganze Natur herrscht. Ihre Vereinigung mit Gott ist so innig, wie die eines Wassertropfens mit dem unermesslichen Meer. Sobald dieses Tröpflein vom Meere verschlungen ist, hat es mit ihm einerlei Stärke, einerlei Macht, kurz! Es ist Gott durch Mitteilung, und sitzt jener Weisheit im Schoße, die andere in toten Buchstaben, ja wohl selbst bei der Torheit und Finsternis suchen. Was sie in sich selbst besitzet, kann keine Sprache ausdrücken; andere hingegen drücken in Folianten aus, was sie nicht besitzen. Sie ist über alles Geschaffene erhaben, wohnet mit Gott außer der Natur im ewigen Ungrund, und berühret alles, was nicht Gott ist, nur gleichsam mit dem äußersten Teile ihrer Füße. Die Natur ist nun ihr Hinterteil, das sie überschritten hat, und wie bei heiterem Sonnenblick ein trübes Wölkchen aus dem Gesichte verlieret. … Die Bibel stehet in ihrem Herzen geschrieben. Sie ist in der Freiheit des Sohnes von allen Mitteln frei gemacht, und Christus selbst erfüllet in ihr das Gesetz und die Propheten.
Ach, Brüder! Wir erliegen unter der Schilderung eines Gemäldes, das für kein unwiedergeborenes Auge gehöret, und dessen Perspektive und Aussichten für die Körpersprache dieses Lebens unerreichbar sind, dass wir lieber davon abbrechen, und in unser Nichts zusammengekrümmt uns in der Tiefe dieses Abgrundes vielmehr sprachlos verlieren, als unvollkommen davon stammeln wollen.
Wir haben uns unvermerkt tiefer in das Feld der göttlichen Geheimnisse hinausgewagt, liebste Brüder, als wir anfangs Willens waren: ja so tief, dass wir Gefahr laufen, jenem witzelnden Haufen, der überall mit seinem Vernunftkopfe hindurch will, und doch den rechten Weg zum Ziele so gar nicht finden kann: neue Stoffe gegeben zu haben, den Geist, der aus ihren Hirten redet, geredet hat und bis an´s Ende der Tage reden wird, der Schwärmerei und eines überspannten Enthusiasmus zu zeugen. Diesen haben wir indessen nichts zu sagen, als dass sie eben dadurch verraten, weß Geistes Kinder sie sind, und wessen man sich bei ihnen zu versehen habe. O, dass sie doch einmal aus ihrem Schaden klüger würden, und es endlich einsehen lernten, welche jämmerliche Blindheit, welch verwegener Stolz es sei, die natürliche Vernunft zum Maßstabe machen zu wollen, nach welchem sich der göttliche Geist in seinen Kindern richten solle! O, dass sie es endlich einmal lebendig empfinden, wie unumstößlich wahr es sei, dass der natürliche, in der Vernunft lebende Mensch nichts von dem, was des Geistes Gottes ist, vernehme; dass es ihm Torheit, Schwärmerei, Unsinn scheine, was Gott in den Seinigen zu wirken pfleget! Ach! Dass wir ihnen das Wonnegefühl und den ganzen göttlichen Wert dieser Torheit nicht geben, nicht in vollem Maße mitteilen können, wie es die Seele der Jesu-Schwärmer, auf sie so verächtlich herabblicken, durchglühet !