Die Erkenntnis der Suende und die Selbstpruefung sind der Anfang der Buße
525. An Erkenntnis der Sünde kann es niemanden in der christlichen Welt fehlen; denn jeder wird von Kindheit an unterrichtet, was Böse sei, und vom Knabenalter an, was sündhaftes Böse sei; dies lernen alle Jünglinge von den Eltern und Lehrern, und auch aus den Zehn Geboten, dem Elementarbuch für alle innerhalb der Christenheit, und im Verfolg nachher aus den Predigten in den Kirchen, und aus den Unterweisungen in den Häusern, und in Fülle aus dem Wort; und überdies aus den bürgerlichen Gesetzen der Gerechtigkeit, die das gleiche lehren, wie die Zehn Gebote und das Wort an anderen Stellen; denn das Böse der Sünde ist nichts anderes, als das Böse wider den Nächsten, und das Böse wider den Nächsten ist auch das Böse wider Gott, welches Sünde ist. Allein die Erkenntnis der Sünde frommt gar nichts, wofern nicht der Mensch die Handlungen seines Lebens prüft und sieht, ob er dergleichen etwa im Verborgenen oder öffentlich getan hat; zuvor ist dies alles nur ein Wissen, und solang ist das, was der Prediger vorträgt, bloß etwas, das im linken Ohre tönt, und von da in das rechte zieht und entweicht; und zuletzt wird es zum bloßen Gedanken und zur frömmelnden Erregung der Lunge, und bei vielen zur Einbildung und Chimäre. Ganz anders aber, wenn der Mensch gemäß den Erkenntnissen dessen, was Sünde ist, sich prüft, und auf etwas bei sich stoßt und zu sich sagt: dieses Böse ist Sünde, und dann aus Furcht vor der ewigen Strafe davon absteht; dann erst wird der unterweisende und mit Gebet verbundene Vortrag in den Kirchen mit beiden Ohren aufgenommen und beherzigt, und der Mensch wird aus einem Heiden ein Christ.
526. Was kann in der ganzen christlichen Welt bekannter sein, als daß der Mensch sich prüfen soll? Wird doch allenthalben in den Kaiser- und Königreichen, sowohl denen, die dem römisch-katholischen, als denen, die dem evangelischen Bekenntnis zugetan sind, vor dem Hinzutritt zum heiligen Abendmahl gelehrt und die Ermahnung gegeben, daß der Mensch sich prüfen, seine Sünden erkennen und anerkennen, und ein neues und anderes Leben anheben solle; und dies mit schauerlichen Drohungen in den Gebieten Englands, wo vor der Kommunion aus dem dieser vorangehenden Gebet vom Oberprediger vom Altar herab folgendes abgelesen und laut ausgerufen wird: „Dies ist der Weg und dies das Mittel, würdig am heiligen Abendmahl teilzunehmen; das Vornehmste ist, daß jeder die Handlungen und den Wandel seines Lebens nach der Richtschnur der Gebote Gottes prüfe, und wenn er dann findet, daß er irgendworin mit dem Willen, der Rede oder Tat dagegen verstoßen hat, soll er seine fehlerhafte Natur beklagen, und vor dem allmächtigen Gott ein Bekenntnis ablegen, mit dem vollen Vorsatz, sein Leben zu bessern; und findet er, daß die Vergehungen von der Art sind, daß sie nicht nur wider Gott, sondern auch wider den Nächsten sind, so soll er sich mit diesem versöhnen und bereit sein, wegen der Beleidigungen und Übel, die er jemanden zugefügt, ihm Wiederersatz und Genugtuung mit all seinem Vermögen zu geben; und er soll in gleicher Weise bereit sein, anderen ihre Fehltritte zu vergeben, wie er will, daß seine Verfehlungen von Gott vergeben werden; widrigenfalls dient der Genuß der heiligen Kommunion bloß dazu, die Verdammnis zu vergrößern. Ist daher jemand von euch ein Gotteslästerer, ein Verkleinerer und Verächter Seines Wortes, oder ein Ehebrecher, oder in Bosheit, oder in Übelwollen, oder in irgendeinem anderen groben Verbrechen, so tue er Buße wegen seiner Sünde; wo nicht, so trete er nicht herzu zur heiligen Kommunion; widrigenfalls wird nach dem Genuß desselben der Teufel in ihn fahren, wie er in Judas fuhr, und ihn mit aller Ungerechtigkeit erfüllen, und sowohl den Leib, als die Seele verderben“.
527.
Gleichwohl jedoch gibt es einige, die sich nicht prüfen können,
wie die Kinder, die Knaben und die Mädchen bevor sie zu dem Alter gelangen, da
sie sich selbst beschauen können; ebenso die Einfältigen, die keiner Reflexion
fähig sind; dann auch alle die, welche keine Gottesfurcht haben; und außer
diesen einige, die am Gemüt und Körper krank sind; und überdies die, welche,
bestärkt in der Lehre von der Rechtfertigung durch den bloßen
Zurechnungsglauben an das Verdienst Christi, sich beredet haben, es komme durch
die Prüfung und darauf folgende Buße etwas vom Menschen hinein, das den
Glauben verderben, und so das Heil von seinem einzigen Herd wegrücken und
fortstoßen würde. Diesen und jenen dient bloß das Mundbekenntnis, und daß
dieses nicht die Buße ist, ist oben in diesem Kapitel gezeigt worden.
Diejenigen aber, die wissen was Sünde ist, und mehr noch die, welche vieles aus
dem Wort wissen und es lehren, und sich doch nicht prüfen, und daher auch keine
Sünde in sich sehen, können solchen verglichen werden, die Schätze
zusammenscharren und sie in Truhen und Kästchen aufbewahren, ohne irgendwelchen
anderen Gebrauch von denselben, als daß sie beschaut und gezählt werden, und
denen, die in ihren Schatz Kleinode von Gold und Silber sammeln, und sie in Gewölbe
verschließen, bloß um des Reichtums willen; solche gleichen dem Geschäftsmann,
der sein Talent unter der Erde, und demjenigen, der sein Pfund im Schweißtuch
verbarg: Matth.25/25; Luk.19/20. Sie sind auch wie die harten Wege und Felsen,
auf die der Same fällt: Matth.13/4,[5] und wieder wie die Feigenbäume, die
eine üppige Belaubung haben, aber keine Früchte bringen: Mark.11/13. Auch sind
sie diamantene Herzen, die nicht fleischern werden: Sach.7/12. Sie sind wie Rebhühner,
die zusammentragen und nicht legen, Reichtümer sammeln, aber nicht mit Recht,
in der Mitte ihrer Tage verlassen sie dieselben, und an ihrem Ende werden sie
Toren: Jer.17/11.
Sie sind wie die fünf Jungfrauen, die Lampen und kein Öl hatten: Matth.25/1-12. Diejenigen, die aus dem Wort vieles über die Liebtätigkeit und über die Buße schöpfen, und eine Menge von Geboten wissen und doch nicht nach diesen leben, können mit Gefräßigen verglichen werden, welche die Speisen in Stücken in den Mund schieben, und, ohne sie mit den Zähnen zu zermalmen, in den Magen bringen, in dem sie unverdaut liegenbleiben, und wenn ausgepreßt, von da aus den Milchsaft verunreinigen und langwierige Krankheiten herbeiführen, an denen sie zuletzt elendiglich sterben. Solche können, weil sie, wie sehr auch immer im Licht doch ohne geistige Wärme sind, Winter, kalte Länder, Nordpolklimate, ja Schnee- und Eisfelder genannt werden.