Das Reich Gottes und die Arche
September 1848
Ewiger, Gott in Jesu Christo, der du einst mit Mose in Bezug auf das Volk Israel geredet hast, und hast ihn
wissen lassen den Weg, den du dein Volk führen wolltest, und hast durch ihn dein Gesetz an Israel gestellt. Auch mir hast du schon manches geoffenbart, sowohl in Bezug auf unsere Gemeinde, als auch auf meine eigene Person. Wie es aber mit der Gemeinde und mit mir steht, das weißt du, Allwissender, am besten. Auch hast du mich kürzlich einen Ruf hören lassen, ich solle mich auf den Ausgang aus dieser Stadt (Basel) vorbereiten. Wie kann ich aber nach den Umständen, in denen ich mich befinde, diesem Ruf folgen? Rede, Herr, dein Knecht hört:Antwort: Ich, Jehova, rede gegenwärtig mit dir nicht mehr als mit einem Knecht, sondern als mit einem Kind. Nicht Knecht sollst du, sondern Kind im Hause sein.
Stellst du dich vor mich in der Eigenschaft eines Knechts Mose, so redet auch Gott mit dir, wie Er einst mit Mose redete, und du bist alsdann verpflichtet, die Aufträge, die nach dieser Eigenschaft an dich gelangen, auch auf diese Weise auszuführen. Wie der Mensch zu Gott steht, so steht Gott zu ihm, und wie ein Volk ist, solch einen Gott hat es auch.
Stellst du dich aber vor Jesus Jehova in der Eigenschaft eines Kindes dar, bist du Kind im Hause, so wirst du auch in Bezug auf die Aufträge, die Er dir gibt, von Ihm als ein Kind behandelt, von dem Er nur Gehorsam fordert, seinen Willen, den Er durch Jesum, seinen Sohn, kundgetan hat, zu erfüllen.
Als Kind im Hause darfst du aber die freie Verwaltung der Güter noch nicht erwarten, sondern hast nur zu nehmen, was dir bei gewissen Anlässen nach deinen jetzigen Kinderkräften gegeben werden kann. Du darfst und willst es auch nicht machen, wie viele Kinder und besonders viele Gelehrte tun, die (um groß zu erscheinen) sich auf einen Stuhl stellen, dabei aber nicht selten das Gleichgewicht verlieren und vom Stuhl herunterstürzen. So ist es schon manchem Vorsteher und Präsidenten ergangen, dem in seiner Stellung das Gleichgewicht gegen Gott, gegen die Brüder und gegen sich selbst mangelte. Denn wenn einer vorstehen will oder soll, so müssen ihn drei Eigenschaften im Gleichgewicht erhalten, nämlich die väterliche, die brüderliche und die kindliche, sonst steht er in Gefahr zu stürzen.
Bleibst du Kind in deinen Augen und erfüllst du treu deine Kindespflichten, so hast du auch in Bezug auf die Führung der Gemeinde dich nur so weit zu bekümmern, als du mit solchen Gliedern zu tun hast, die in einem kindlich gehorsamen Geist stehen. Für diejenigen, die nicht in diesem Geist stehen, hast du keine Rechenschaft zu geben, sondern kannst sie nach der Eigenschaft, in welcher sie stehen, oder in der sie nur zu stehen wähnen, auf ihre eigene Rechnung sich selbst überlassen, magst aber Gott für sie um Sinnesänderung bitten.
Die Gemeinde steht nach ihrer Glaubenseigenschaft teils auf alttestamentlichem, teils auf apostolisch-neutestamentlichem, teils auf einem kindlich rein evangelischen Fuß gegründet.
Diese drei Eigenschaften bilden aber wegen des Mangels an Einigung in der Gemeinde einen Mischmasch, und erzeugen darum bei den verschiedenen, noch ungereinigten, besonderen Eigentümlichkeiten der Glieder manchen Streit. Ein solcher Streit sollte indessen nicht aus den drei Eigenschaften entstehen; denn in einem wahren Kinde Gottes sind sie alle in ihrer Wirksamkeit zu einem Ganzen vereinigt. Was das Kind nach alttestamentlicher oder nach apostolisch-neutestamentlicher Eigenschaft zu tun aufgefordert wird, das tut es im Geiste Jesu auf eine kindliche Weise. Diese drei Eigenschaften wachsen geburtsmäßig mit dem Kinde zu männlicher Kraft auf. Das Kind wird Mann und erlangt dann auch unter der Leitung Gottes die Verwaltung der Güter des Hauses Gottes durch den lebendig-machenden Glauben, nicht durch Einbildung, sondern durch das Wachstum.
Es kostet aber weit mehr, ein Kind des göttlichen Willens zu werden (und von solchen Kindern ist hier allein die Rede), als ein großer Mann zu sein nach dem eigenen Geist. Die großen Manner fallen in dieser bewegten Zeit, oder werden durch andere gewaltsam von ihren Stühlen heruntergestürzt. Zuletzt aber wird dennoch ein Kind Gottes das Zepter der Regierung in die Hand erhalten und
die großen Manner schlagen.Jesus Christus spricht: "Wer das Reich Gottes nicht empfängt als ein Kindlein, der wird nicht hineinkommen."
(Mark1. 0,15).Frage: Wo kommen aber diejenigen hin, die nicht durch den Prozeß der Wiedergeburt Kinder geworden sind, die aber dennoch in einem guten Sinne stehen, manches Gute tun, und mit Eifer für die Ausbreitung des Reiches Gottes wirken? Solche können doch für das Reich Gottes nicht verlorengehen?
Antwort: Es steht geschrieben: "In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen." (Joh.14,2). Und nicht bloß gibt es der Wohnungen viele im Jenseits, sondern eine unzählbare Menge. Es gibt ihrer im Himmel, unter demselben, in den Sternen, im Luftkreise, in der Erde, in und unter den Wassern und auch in der Hölle.
Daß diejenigen, welche den Namen des Herrn anrufen, Gutes tun, für das Reich Gottes zu wirken trachten (im Fall sie darin nicht sich selbst suchen und nicht diejenigen, welche hineinwollen, daran hindern, was eine Hauptbedingung ist) - daß solche für das Reich Gottes im Jenseits nicht verlorengehen, ist Wahrheit.
Jeder aus dem Körper abgeschiedene Geist geht an den Ort, den er sich während seines Lebens hienieden in seiner Seele bereitet hat. Alle die verschiedenen Wohnungen oder Bleibstätten im Jenseits haben eine magnetische Kraft, durch welche sie die abgeschiedenen Seelen, die mit ihrem Wesen am meisten Gleichheit haben, an sich ziehen.
Die gleichen Wohnungen, welche für die einen eine anziehende Kraft haben, haben für andere eine zurückstoßende Kraft. Auf diese Weise wird eine Kluft zwischen
ihnen gebildet.Es gibt viele Menschen, die gar manches Gute tun, mich aber nicht durch die Nachfolge meines Lebens, in Kraft der Wiedergeburt, in die Wohnung ihrer Herzen aufgenommen haben. Diese können nun nach der Natur und dem Wesen der Sache nicht sobald in jene himmlische Wohnung kommen, wo ich mit dem Vater und dem Heiligen Geist in unzertrennlicher Einheit regiere. Dessen ungeachtet aber sind sie, sofern ihr Gang hienieden aufrichtig und ohne Falschheit war, für das Reich Gottes nicht verloren.
Solche Seelen, welche hienieden den Herrn nach ihrem Sinn, aber nicht nach des Herrn Sinn gesucht, Ihn aber, wie
es auf diese Weise nicht anders sein kann, dem Wesen nach nicht gefunden haben, gelangen im jenseits bald zu einer Wohnung, die entweder zu ihrer Läuterung oder zu ihrer Erziehung, als Vorbereitung auf eine höhere Stufe, dient.So findet der Katholik, der Grieche, der Protestant, der in einem guten menschlichen Sinn aus dieser Welt geschieden ist, im Jenseits eine Wohnung, die für ihn paßt. Der kirchlich Fromme findet dort Wohnungen, wo die gottesdienstlichen Handlungen fortgesetzt werden. Zur Abwechslung gehen solche Seelen nicht selten noch in die auf der Erde befindlichen Kirchen, hören da der Predigt zu und halten Abendmahl mit. Die massiven, irdischen Steine und Mauern hindern sie nicht im geringsten an dieser Wanderung. Die Aufenthaltsorte solcher Abgeschiedenen können sich teils unter der Erde, ja unter dem Meere befinden, teils auch in der Luft. Sie stehen in der Luft ebenso fest als auf der Erde.
Die hier beschriebenen Wohnungen gehören sämtlich zu den Wohnungen des Friedens, deren es eine große Anzahl gibt. Dahin kommen nur Kinder des Friedens. Zanksüchtige dürfen sich nicht hinzunahen. Kaiser, Könige, Bischöfe und Prälaten, die in einem frommen Sinn und friedfertigen Geist diese Körperwelt verlassen haben, finden dort wieder ihre Ämter und Würden. Solche Seelen, welche hienieden in dem Stande der Untergebenen lebten und arm waren, werden nach ihrem friedfertigen Geist in die Gesellschaft jener aufgenommen. Die Würden und Ämter, in denen andere Geister nach dem Rang, den sie in dieser Welt bekleideten, stehen, verursachen ihnen aber keinen Druck, kein Unbehagen, sondern vielmehr Freude. Sie fühlen sich dadurch nicht zurückgesetzt, weil der Geist des Friedens allen Neid und Stolz verbannt hat, und also kein Rangstreit unter ihnen mehr stattfinden kann.
Die gottesdienstlichen Übungen dieser Gesellschaften sind von dem Groben und Unreinen, das sie in dieser irdischen Körperwelt an sich tragen, gereinigt; denn es befinden sich hier nur die Geister solcher Abgeschiedenen, die auf Erden einen guten Wandel führten, und denen alles daran gelegen war, Gott durch einen christlichen Gottesdienst und durch öffentliche Gebete zu dienen. Diese alle waren in gewissem Sinne, nach dem Buchstaben des Worts, Diener Christi, aber dennoch nicht Nachfolger seines Lebens, was weit mehr sagen will. Darum waren sie auch nicht eingeweiht in das geheimnisreiche, wiedergebärende Kreuz Jesu Christi. Die Wesenheit der Wiedergeburt durch Wasser, Geist und Blut haben sie hienieden nicht erlangt; darum können sie auch, obgleich sie einen gewissen Grad der Seligkeit besitzen, doch den Herrn noch nicht schauen. Sie sind indessen der Wiedergeburt noch fähig, und manche von ihnen werden, nachdem sie sich durch die Macht des Blutes Jesu haben durchdringen lassen, aus einer solchen Bleibstätte in eine der höheren Bleibstätten befördert, die sich über jenen befinden, und in denen die Gottesdienste schon weit reiner und heiliger gefeiert werden, als in denen, die sie verlassen haben. Diese Geister sind nun fähig geworden, den Unterricht höherer Geister von klarer göttlicher Intelligenz anzunehmen, und dadurch werden ihnen nun die Pforten des neuen Jerusalems mehr und mehr geöffnet.
So wie sich über den Bleibstätten oder Friedenswohnungen, die diese Beförderten verlassen durften, höhere und reinere befinden, befinden sich unter denselben auch noch andere, geringere, deren Bewohner aber, obgleich sie einer Beförderung in seligere Bleibstätten noch fähig sind, dort nur einen sehr geringen Grad der Seligkeit genießen können.
Bei dieser Gelegenheit ist mir gegeben worden, wenn auch nur in allgemeinen Umrissen und gleichsam im Vorbeigehen, von drei Arten der Bleibstätten zu reden, um darauf hinzuweisen, daß die wesentliche Wiedergeburt, von welcher Jesus in Joh. Kap. 3 spricht, ein Haupterfordernis ist, um fähig zu werden, nach dem Eintritt ins Jenseits den Herrn in seiner Klarheit zu schauen, und um das herrliche Erstlingsrecht zu erlangen, das durch viele Leiden erkauft werden muß. Das heißt, nach dem wahren Sinn des Worts, sich täglich im Blut des Lammes Gottes waschen, und was dadurch bewirkt werden muss, das kann kein protestantischer Pfarrer durch eine seligsprechende Leichenrede, und kein katholischer Pfarrer durch eine Seelenmesse, dem Abgeschiedenen bewirken.
Im Jenseits findet der Abgeschiedene nur das, wozu er sich hienieden hat fähig machen lassen.
Schließlich noch ein Wort mit Beziehung auf die unendliche Zahl von Höhlen in und unter den Bergen dieser Körperwelt, welche ebenfalls Aufenthaltsorte abgeschiedener Geister sind.
Frage: Wo mag sich wohl jene alttestamentliche Arche (Bundeslade) befinden, von welcher uns im 2.Buch der Makkabäer (Kap.2,5) gesagt wird, daß Jeremia sie vor dem Feind geflüchtet und in einer Höhle versteckt habe, und von welcher Stilling und andere behaupten, dass sie zur Zeit des Anbruchs des Reiches Gottes werde wiedergefunden werden?
Antwort: Der Ort ihres Aufenthalts ist im Lande Arabien, an den Grenzen des Landes Kanaan. Wer sie aber als eine materielle Lade finden will, so wie sie einst vor den Feinden in Verwahrung gebracht worden ist, der wird sie nicht finden und nicht zu sehen bekommen. Sie ist durch die Länge der Zeit und durch den Geist, der in ihr und über ihr herrschte, durch einen wiedergeburtlichen Prozeß gegangen. Dadurch hat sie die grobe Körperlichkeit, welche sie bei ihrer Bereitung besaß, verloren, und es ist nun von ihr nichts anderes mehr zu finden, als die unauflösliche geistige Substanz, in welcher alle Dinge im Jenseits bestehen.
Die jetzt existierende Arche wird nicht, wie die ehemalige, über den Jordan geführt werden, sondern sie muß eigentlich über den Bach Kidron gehen und mit Tränen unter den Berg Golgatha geleitet werden. Das will sagen: Sie wird unter kümmerlicher Zeit durch den Glauben, durch Lieben, Hoffen und Dulden der Gemeindeglieder, die ihre Träger sein sollen, zur Ruhe gebracht.
Ebenso, wie mit der alttestamentlichen Arche, verhält es sich auch mit dem heiligen Kelch, aus welchem Christus Jesus beim letzten Ostermahl mit seinen Jüngern getrunken hat, und der später ebenfalls verloren worden ist. Auch dieser wird wieder zum Vorschein kommen, aber nicht in seiner groben Körperlichkeit, da er durch einen Feuerprozess zu einer weichen, flüssigen Goldmaterie geworden ist. Leser, wolltest du ihn mit deinen groben, leiblichen Händen fassen, so würdest du nichts in deinen Händen haben, denn deine Hände passen nicht zu diesem Kelch. Willst du ihn oder die Bundeslade mit deinen Augen anschauen, so musst du zuvor um des Reiches Gottes willen ein Auge verloren haben; dann erst wirst du imstande sein, mit Einem Auge recht zu schauen. Alle Geister im Jenseits, in den Wohnungen des Friedens, trinken nur aus geistig-wesentlichen Gefäßen, die aber dennoch für sie handgreiflich sind. Alle Früchte, welche wir in dieser Körperwelt sehen und genießen, und andere Dinge dieser Welt, finden sich im Jenseits in geistiger Substanz, nach verschiedenen Graden, vom höchsten bis zum niedrigsten.
Wie ein Volk ist, einen solchen Schatz und einen solchen Gott hat es auch. Wohl der Seele, die zum Anschauen Gottes gelangt; denn das ist der Genuss aller Genüsse.
Nur wird dies nicht in uns vollbracht,
die lange, dunkle Leidensnacht
muß erst durchwandert werden.
Weitere Artikel durch Jakob Wirz