J. Lorber: 'Himmelsgaben' (Div. Themen)
01]
Wenn ihr also fraget, so fragt ihr recht! Denn in solchen Fragen liegt dasjenige
zugrunde, was jedem Menschen am meisten not tut.
02] Ihr habt zwar euer leichtes Anliegen nicht
in der Form einer Frage gegeben, dessenungeachtet sind aber die gegebenen Worte
nichts als Fragen aus eurem Herzen, deren sonderheitliche Beantwortung euch
jetzt gegeben wird. Die große Antwort aber (wird euch) erst dann, wenn ihr sie
durch die Beachtung der sonderheitlichen in euch finden werdet. Das heißt, die
sonderheitliche Beantwortung ist ein Wegweiser, der euch zeigt, wie das
menschliche Leben beschaffen sein soll im Geiste und in der Wahrheit, voll Liebe
und lebendigen Glaubens, um durch dieses Leben dann sicher gelangen zu können
zum inneren Leben des Geistes und endlich durch dieses erst zu Mir. - Wer aber
zu Mir gelangen wird, der wird dadurch auch gelangen zur allgemeinen
Beantwortung nicht nur dieser von euch gegebenen Fragen, sondern auch jener
unendlichen, die in diesen vieren enthalten sind.
03] Denn wahrlich, verstündet ihr in eurem
Herzen das große Geheimnis Meines Leidens, alle Engel des Himmels würden
ehrfurchtsvoll und in allerhöchster Freude ewig zu euch in die Schule gehen und
allezeit nach beendigter Schulzeit mit unermeßlichen Wundern bereichert
zurückkehren.
04] Verstündet ihr in euren Herzen gerecht zu
fasten, wahrlich, ihr möchtet nimmer darnach fragen! Denn durch solches Fasten
wäre Ich euch schon lange ein sichtbarer Vater geworden, allda Ich euch dann mit
dem leisesten Hauche mehr geben könnte, denn sonst mit tausend Worten.
05] Verstündet ihr in euren Herzen, was die
wahre Armut ist, wahrlich, schon jetzt wärt ihr reicher als manche Fürsten des
Himmels. Denn es liegt in der wahren Armut ein gar großer Schatz, welcher mit
keinem irdischen Maßstabe zu ermessen ist! Die wahre Armut ist es, die da ewig
gespeist wird mit Meinem Worte - wie ihr ja auch leset, daß das Evangelium den
Armen gepredigt werden soll. Auch wird die wahre Armut verstanden also, daß sie
gleich ist den »Hungrigen« und »Durstigen«, die da ebenfalls aus Meinen Worten
vollauf gesättigt werden.
06]
Und endlich verstündet ihr erst in eurem Herzen die Liebe, wahrlich, da wäre an
euch erfüllt die große Forderung, die Ich an Meine Apostel gerichtet habe, da
Ich zu ihnen sagte: »Seid vollkommen, wie euer Vater in den Himmeln vollkommen
ist!« - Liebe Kinder! Was meint ihr wohl, was diese Anforderung besagt? - Sehet,
diese Anforderung besagt nichts mehr und nichts weniger, als bloß die ziemlich
große »Kleinigkeit«, daß der Mensch vollkommen Mir in allem gleichen solle! - So
ihr euch nur einen allerleisesten Begriff von Meiner Größe, Macht und Kraft und
von allen Meinen unendlichen Vollkommenheiten machen könnet, so werdet ihr euch
ja wohl auch davon einen kleinen Begriff machen können, was das heißen will,
wenn Ich zu euch sage, daß auch ihr so vollkommen werden sollet, wie euer Vater
im Himmel vollkommen ist. Denn wenn »der Sohn« die Seinen zu Miterben gemacht
hat, auf daß Er vollkommen brüderlich teile das große Erbe vom Vater, so will
auch das nichts anderes sagen, als daß die Seinen zu derselben Gerechtigkeit, zu
derselben Macht und Kraft des Geistes Gottes gelangen sollen, welche dem Sohne
im Vater und dem Vater im Sohne von Ewigkeit her innewohnt.
07] Bevor Ich euch jedoch alles dieses noch
etwas näher auseinandersetzen werde, wollen wir zur sonderheitlichen
Beantwortung eurer vier Hauptfragen zurückkehren.
08] Was Mein Leiden betrifft, so habe Ich also
gelitten an Meinem Leibe wie ein jeder andere Mensch, und zwar in derselben
Ordnung, wie ihr es lest in den Evangelien. Weil aber das menschlich leidende
Ich noch ein anderes, göttliches Ich in sich schloß, so war dieses Leiden auch
ein doppeltes, nämlich das äußere, leibliche, und das innere, göttliche.
09] Worin das äußere Leiden bestand, wisst ihr -
aber worin das göttliche Leiden bestand, das ist eine andere Frage. - Damit ihr
euch davon einen Begriff machen könnet, so denkt euch, was das heißen will, wenn
der unendliche Gott in dieser Leidensperiode Sich aus Seiner unendlichen und
ewigen Freiheit zurückzog und in dem Herzen des leidenden »Sohnes« Seine Wohnung
nahm!
10] Nun sehet, Mein Äußeres wurde durch die
bitteren Leiden bis auf den Punkt des Todes gedrückt. Die im Herzen sitzende
Gottheit aber mußte den Tod und die Hölle von dem innersten Punkte aus besiegen.
Nun denkt euch den leidenden Gottmenschen, der da nun gestellt war zwischen zwei
Feuer: Von außen her drückte Mich der Tod und die Hölle mit all ihrer Gewalt so
lange, bis Mein natürliches Leben bis zu dem innersten Punkte Meines Herzens
getrieben ward. Von innen aus aber wirkte diesem Drucke die Gottheit mit all
Ihrer unendlichen Macht und Kraft entgegen und ließ Sich nur durch die Liebe
selbst bis auf einen Punkt zusammentreiben.
11] Nun denkt euch wieder: Dieselbe Macht und
dieselbe Kraft, welche mit einem Hauche alles, was da lebet und webet in der
ganzen Unendlichkeit, in einem Augenblick zerstören könnte, dieselbe Macht und
Kraft, die alle Ewigkeiten und Unendlichkeiten nicht erfassen, welche die ganze
unendliche Schöpfung aus Sich werden hieß - o höret! - dieselbe Macht und Kraft
in Ihrer vollsten Allheit hat Sich so weit aus ihrer Unendlichkeit heraus, wie
schon gesagt, auf einen Punkt beengen lassen, welche Beengung die größte
freiwillige Demütigung der Gottheit in Mir war!
12] Wenn ihr dieses nur ein wenig in eurem
Herzen zu fassen imstande seid, welchen leidenden Kampf Ich da als die Ewige
Liebe zu bestehen hatte, so werdet ihr euch wohl auch einen kleinen Begriff
machen können, was alles unter Meinem Leiden verstanden wird.
13] Dieses Leiden dauerte bis auf den Punkt, da
Ich am Kreuze ausrief: »Es ist vollbracht! Vater, in Deine Hände empfehle Ich
Meinen Geist!« - oder mit andern Worten: »Siehe Vater! Deine Liebe kommt zu Dir
zurück!« - Und sobald wurden von der unendlichen Macht Gottes alle Bande des
Todes und der Hölle zerrissen. Hinaus stürmte die ewige Macht mit
verunendlichfältigter Gewalt. Die ganze Erde bebte, angerührt von der Allgewalt
Gottes. Freiwillig öffnete sie ihre Gräber und trieb die Gefangenen zum Leben
hervor.
14] Und weiter drang dieselbe Allgewalt über
alle sichtbare Schöpfung hinaus, erfüllte in diesem Augenblicke die
Unendlichkeit wieder. Und alle Sonnen in allen endlosen Räumen zogen ihr Licht
aus übergroßer Ehrfurcht vor der sie neu berührenden Allgewalt Gottes in sich
zurück. Daß aber die Gottheit bei diesem neuen Austritte in diesem Augenblicke
nicht alles zerstört und vernichtet hat, war allein die Liebe schuld, die da nun
völlig wieder mit ihr vereinigt war.
15] Nun sehet, Meine lieben Kinder, das ist, so
viel ihr es fassen könnt, zu verstehen unter »Meinem Leiden«! - Allein es liegt
noch Unendliches darin verborgen, daran ihr Ewigkeiten genug zu erforschen haben
werdet, und das zwar immerwährend Größeres und Unendlicheres. Denn was Ich euch
jetzt gesagt habe, verhält sich zur Vollheit geradeso wie ein Punkt zur
Unendlichkeit.
16] Wenn ihr aber fastet, da fastet in der
wahren Verleugnung eurer selbst aus reiner Liebe zu Mir an allem, was die Welt
euch bietet, so werdet ihr durch solches gerechte Fasten zu dem »Brote des
Himmels« gelangen.
17] Wie eine Braut an ihrem Hochzeitstage alle
ihre früheren Kleider auszieht, sich wäscht am ganzen Leibe, dann ihre
Brautkleider anzieht und sich schmückt mit allerlei Blumen und Edelsteinen, auf
daß sie dem Bräutigam wohlgefalle, so er kommt und sie führt in sein Haus -
ebenso sollt ihr durch das gerechte Fasten alle euere weltlichen (Selbstliebe-)»Kleider«
ausziehen, euch waschen mit lebendigem Wasser und anziehen dann Kleider der
wahren (Gottes-)Liebe, der Unschuld und aller Demut und euch schmücken mit
allerlei Blumen und Edelsteinen aus den Werken der (Nächsten-)Liebe!
18] Und wenn sodann der große Bräutigam kommen
und euch treffen wird also wohlbereitet, da wird auch Er tun, was von dem
bildlichen Bräutigam gesagt wurde. Und wenn ihr euch dann in dem Hause des
Bräutigams befinden werdet, da wird Er euch eine Schatzkammer auftun und euch
beschenken mit den unermeßlichen Schätzen des ewigen Lebens, welches da ist eine
Folge Meines bittern Leidens oder der Erlösung.
19] Und was das Fasten ist, das ist auch die
Armut. a Denn wahrlich, wer nicht arm geworden ist an allem, was der
»Welt« ist, der wird nicht eher in Mein Reich eingehen, als bis er der Welt den
letzten Heller zurückgegeben hat. - Sehet, das ist also die wahre Armut im
Geiste und in der Wahrheit! {a
Mt.05,03;
Lk.06,20}
20] Daß da aber die freiwillige Armut einen
unendlichen Vorzug hat vor der genötigten, versteht sich so sehr von selbst, daß
eine nähere Erörterung darüber im höchsten Grade überflüssig wäre. Denn es kann
die genötigte Armut nur durch die gänzliche Ergebung in Meinen Willen und in
Meine Liebe der freiwilligen gleichkommen.
21] Nun aber fragt euch: Was ist das Verhältnis
einer Braut zu ihrem Bräutigam, für den sie keine Liebe hegt im Herzen? Wird sie
sich wohl auch so schmücken für die bewußte Stunde, da sie weiß, daß der
Verachtete kommen wird? Wird sie diese Stunde mit der großen Sehnsucht ihres
Herzens erwarten? - Ich sage euch: Mitnichten! Denn sie wird diese Stunde in
ihrem Herzen verwünschen und verfluchen. Sie wird sich nicht waschen, sondern
sich eher beschmieren mit allerlei Schmutz, und sie wird anbehalten ihre
Alltagskleider und ihr Haupt bestreuen mit Asche, in der Meinung, wenn der
bewußte Bräutigam kommen wird, so wird er sich entsetzen vor ihr und wird
ablassen von seinem Begehren.
22] Und wahrlich, wenn der Bräutigam kommen und
seine Braut also antreffen wird, Ich sage euch, da wird er sie nicht nehmen (so
er Mir gleicht), sondern wird die Lieblose bereitwilligst dem überlassen, dem
sie ihre Liebe zugesagt hat.
23] Nun sehet, da eine Braut für den rechten
Bräutigam sich nur schmückt, so sie ihn liebt, so wird euch auch wohl sehr
leicht klar werden, daß ohne Liebe zu Mir an kein Fasten und keine Armut zu
denken ist und somit auch an keine hochzeitliche Ausschmückung. - Da wird aber
auch kein »Nachhauseführen« der Braut erfolgen, welches »Nachhauseführen« nichts
anderes ist als die Erlösung vom Tode zum Leben.
24] Sehet, wie sich da eure Fragen verhalten! -
In Meinem Leiden ist die Liebe. Das Fasten und die Armut ist das Leiden der
Liebe. Und das Leiden der Liebe ist die Ausschmückung derselben. Und in der
Ausschmückung, welches das Leiden ist, ist die Erlösung. - Somit ist die Liebe,
das Leiden und die Erlösung eines und dasselbe.
25] Wer demnach liebt also, wie es euch gezeigt
worden ist, der hat sich der Erlösung teilhaftig gemacht, und sein Teil wird
gleich sein dem Meinen. Gleichwie aber der Bräutigam all seine Güter teilt mit
seiner Braut, also wird es auch sein in Meinem Hause. Alsdann werdet ihr
erfahren, was das heißt: »Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen
ist!« Amen! - Das sage Ich, ebenderselbe Vater im Himmel! Amen.